forum Zusammenarbeit bei der Bekämpfung ansteckender Krankheiten

Einführung in das Thema

Kurzzusammenfassung

Ansteckende Krankheiten stellen in einer globalisierten Welt ein weltweites Problem dar, das auch nur gemeinsam zielführend bekämpft werden kann. Allerdings gibt es Unterschiede in der Zugänglichkeit von Mitteln zur Eindämmung und Bekämpfung. Daher scheint eine globale Lösung noch in weiter Ferne – auch in der derzeitigen Corona-Pandemie. Gerade durch Corona hat das Thema der gerechten Verteilung von Ressourcen zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten wieder neue Aufmerksamkeit erlangt. Bereits in anderen Pandemien, so zum Beispiel bei der Eindämmung von HIV bzw. AIDS, war diese Frage hochaktuell und konnte noch nicht langfristig zufriedenstellend gelöst werden.

Nun gilt es für die Staatengemeinschaft des afrikanischen Kontinents, trotz verschiedener Interessen gemeinsam Strategien zu finden, zukünftige Pandemien und Epidemien zu verhindern und zugleich die Verteilung von Ressourcen zur Eindämmung gerechter zu gestalten. Doch wie kann dies vonstattengehen?

Die AU sieht hierbei die Herausforderungen für den Kontinent. Mit verschiedenen Strategien und Initiativen bringt sie die lokale Produktion von medizinischen Gütern voran und fördert die Verteilung von Impfstoffen für diverse Krankheiten. Für die aktuelle Pandemie beispielsweise hat die Weltgemeinschaft zwar das COVAX-Programm aufgesetzt und auch die UN plädieren für eine gerechtere Verteilung. Doch die Realität sieht noch deutlich anders aus: Reiche Staaten horten Persönliche Schutzausrüstung (PSA) und Impfstoffe für ihre eigene Bevölkerung und die Pharmakonzerne, welche die Impfstoffe entwickelt haben, verkaufen diese zu Großteilen möglichst gewinnbringend auf dem Weltmarkt und halten die Patente unter Verschluss. Die ungerechte Verteilung hat ihre Aufmerksamkeit dank Corona bekommen, allerdings galt das auch schon vor der Pandemie für diverse andere Krankheitsausbrüche wie Polio, Affenpocken, HIV und wird auch weiterhin nicht an Aktualität verlieren. Insbesondere die afrikanischen Staaten haben jedoch einen entscheidenden Vorteil bei der Bekämpfung von ansteckenden Krankheiten: Sie können auf eine große Menge Erfahrungen zurückgreifen, welche reichen Staaten des Globalen Nordens fast gänzlich fehlen.

 

Punkte zur Diskussion

  • Wie kann kommenden Krankheitsausbrüchen vorgebeugt werden? Wie können neue Zoonosen frühzeitig erkannt oder vermieden werden? Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um Frühwarnsysteme weiter zu verbreiten und besser nutzen zu können? 
  • Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es viele Projekte zur Entwicklungszusammenarbeit. Welche Schwerpunkte sollten diese im Bereich Gesundheit legen, was muss dringend stärker ausgebaut werden? Welche weiteren Maßnahmen können getroffen werden, um die Gesundheitssysteme afrikanischer Staaten zu stärken?
  • Wie können Ressourcen, darunter neben Impfstoffen und Medikamenten auch Technologien und geistiges Eigentum, zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten gerechter verteilt werden? Wie können die Pharmakonzerne und Unternehmen entschädigt werden, wenn eine kostengünstige und faire Verteilung erfolgt, können Patent Waiver dabei helfen? 
  • Wie kann die afrikanische Gemeinschaft effektivere Strukturen zur Verteilung und eigener Produktion aufbauen?
  • Was muss getan werden, damit der Wissensaustausch mit afrikanischen Staaten verstärkt wird? Wie können afrikanische Staaten mehr Wissen zu Medikamenten- und Impfstoffentwicklung erlangen? Wie kann im Tausch dazu Wissen zur Krankheitsausbruchsbekämpfung weitergegeben werden? Welche Rolle sollte die Afrikanische Union hier spielen?

 

Einleitung

Es gibt wohl kaum ein Thema, das die Welt in den letzten zwei Jahren so beschäftigt hat wie die anhaltende Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen. Doch wenn man sich den Kampf gegen die Krankheit sowie die Möglichkeiten des Schutzes gegen diese anschaut, wird schnell ein deutliches und bis heute anhaltendes Ungleichgewicht deutlich: Während in manchen Ländern Viertimpfungen verabreicht werden, alle mit bezahlbarer persönlicher Schutzausrichtung ausgestattet sind sowie gewisse Hygieneregeln durchgesetzt werden, sind die Schutzmöglichkeiten andernorts eingeschränkt bis nicht vorhanden. Die Kosten für Schutzausrüstung und Impfstoffe sind für einige Staaten nicht zu tragen, was vor allem an Impfpatenten, dem Versuch der Gewinnmaximierung und dem Eigeninteresse mancher Staaten liegt. Dies ist nicht nur für das Coronavirus der Fall, sondern auch für viele andere Erreger. Wie kann erreicht werden, dass die Vereinten Nationen tatsächlich als Weltgemeinschaft handeln und zukünftige Pandemie verhindern. Wie können sie jetzt sicherstellen, dass sich dieselben Fehler nicht wiederholen? Und welche Rolle haben die afrikanischen Staaten hier, die über enormes Wissen und Best Practices im Umgang mit Krankheitsausbrüchen verfügen?

 

Hintergrund und Grundsätzliches

Übertragbare Krankheiten – in immer neuen Formen – verfolgen die Menschheit seit ihrem Beginn. Infektionskrankheiten werden durch Krankheitserreger (Viren, Bakterien, Pilze) hervorgerufen und können sich unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen. Folgen von Krankheiten wie Tuberkulose, Lepra oder Pocken können durch wissenschaftliche Untersuchungen mehrere tausend Jahre zurückverfolgt werden. Damals war eine Eindämmung oder gar Behandlung aufgrund des fehlenden Verständnisses schwer bis gar nicht möglich.

Während Infektionskrankheiten in Staaten des Globalen Nordens an Bedeutung verloren haben (aufgrund von Aufklärung, Hygienestandards, Impfungen sowie zur Verfügung stehenden Medikamenten/Behandlungsmethoden), stellen sie global gesehen weiterhin die häufigste Todesursache dar. Insbesondere Atemwegserkrankungen, Durchfallerkrankungen, aber auch Tuberkulose oder AIDS fordern jährlich Millionen Leben. Gerade neu auftretende Erreger und ihre Behandlung stellen dabei eine Herausforderung dar – dazu zählten in den letzten Jahrzehnten bspw. das Ebola-Virus, HIV oder SARS-Coronaviren.

In unserer globalisierten Welt ist es schwer, die Ausbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern; so können aus Epidemien (also dem zeitlich und örtlich begrenzten gehäuften Auftreten von Krankheitsfällen) Pandemien (also deren weltweite Ausbreitung) werden. So gilt es für die RKA, einen Ansatz zu finden, der die weltweite Eindämmung und Bekämpfung unterstützt.

Doch nicht nur während der derzeitigen Corona-Pandemie, sondern auch in der Vergangenheit haben Einzelinteressen von Staaten zum Schutz der eigenen Bevölkerung und der Versuch der Profitmaximierung durch Pharmakonzerne (im Zusammenspiel mit dem Patentschutz) der gemeinsamen Handlungsfähigkeit entgegengewirkt. Denn während die Erforschung und Entwicklung im Schnitt rund eine Milliarde US-Dollar kostet, sind die Produktionskosten vergleichsweise gering. Ein oftmals 20-jähriger Patentschutz erlaubt es Pharmakonzernen, die Preise hoch zu halten und mit ihrer Forschung Gewinn zu machen, bevor günstige Generika (Nachahmerprodukte) auf den Markt kommen können. Einerseits würde der Antrieb zur Forschung ohne Patente gebremst, andererseits verhindern diese gleichzeitig ein schnelles Ausrollen und eine weltweite Versorgung. Patente geben einigen wenigen Pharmakonzernen eine große Machtstellung in Bezug auf Preisgestaltung sowie Produktionskapazitäten.

Bis der Patentschutz ausläuft, sorgen Patente für eine ungleiche Verteilung - und reiche Staaten horten Medikamente für ihre eigene Bevölkerung. Gerade wenn neue Impfstoffe oder Medikamente auf dem Markt kommen und nur in begrenzter Menge zur Verfügung stehen, haben wirtschaftlich schwächere Staaten wenige Chancen, ausreichend Zugang zu erhalten, da sie nicht über die Finanzstärke und damit Verhandlungsmacht wie andere Staaten oder Staatengemeinschaften, z.B. die Europäische Union, verfügen.

Dies kann schnell dazu führen, dass notwendige Medikamente oder Impfungen nicht weltweit verfügbar sind und so den Fortschritt im Kampf gegen Krankheiten verlangsamen. So waren beispielsweise lebensrettende HIV-Medikamente jahrelang unerschwinglich für Betroffene in ärmeren Ländern – bis die Staatengemeinschaft zu einer gemeinsamen kostensenkenden Lösung kam. Vorausgegangen waren auch Streitfälle wie in Thailand. Dort wurde das Patent für ein AIDS-Medikament durch die thailändische Regierung aufgehoben. Diese berief sich auf eine Notfallregelung aus dem Abkommen der Welthandelsorganisation. Dieses Abkommen besagt, dass bei einem nationalen Gesundheitsnotstand auch gegen den Willen des jeweiligen Pharmakonzerns das Patent aufgehoben werden kann, um die Herstellung von Generika zu ermöglichen.

 

Aktuelles

Die Corona-Pandemie hat unsere Aufmerksamkeit für die Gefahren der unterschiedlichsten Erreger in jüngster Zeit noch einmal geschärft, sei es der aktuelle Ebola-Ausbruch in Uganda oder die wiederkehrende Angst vor Polio auf dem ganzen afrikanischen Kontinent. Wie die verschiedenen Staaten jedoch damit umgehen, unterscheidet sich drastisch. Besonders auffällig hierbei sind die unterschiedlichen Möglichkeiten und Ressourcen der Handhabung zwischen Globalem Süden und Globalem Norden. Afrika stellt einen großen Markt für Impfstoffe dar, verfügt aber kaum über lokale Produktionskapazitäten. So entfällt 25 % der globalen Nachfrage nach Impfstoffen (nicht nur Covid) auf Afrika. Davon wird nur 1 % auf dem Kontinent produziert. Während der Corona-Pandemie hat dies große Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung und hohe gesundheitliche und soziale Schäden verursacht. Um Abhilfe zu schaffen und für künftige Gesundheitskrisen besser aufgestellt zu sein, verfolgt die Afrikanische Union (AU) das Ziel, bis 2040 60 % der in Afrika genutzten Impfstoffe auf dem Kontinent zu produzieren. 

Reichere Länder haben aufgrund ihrer wirtschaftlichen und politischen Stärke eine größere Chance, wirkungsvolle Impfstoffe zu entwickeln und Zugang zu diesen zu bekommen. Der Kampf um Impfstoffe ist gezeichnet durch ein ausgeprägtes Konkurrenzverhalten. Es gilt jedoch, die finanzielle Stärke und das technologische Wissen von Staaten des Globalen Nordens zu vereinen, untereinander zu teilen und allen Ländern der internationalen Staatengemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Dieses Teilen von Ressourcen würde wiederum Investitionen in Fabriken und Produktionsstätte ermöglichen, sodass die Herstellung von genügend Impfstoffen unterstützt und der Zugang zu diesen für alle gefördert wird. Auf der regionalen Ebene bedeutet dies außerdem, Regierungen, Gesundheitspersonal und weitere Beteiligte bei der Umsetzung von Impfkampagnen zu unterstützen. So werden zusätzliche Ressourcen in Form von Daten und Trainings zur Verfügung gestellt. Um Ungleichheiten im Bereich von Impfstoffverteilung anzugehen, gibt es verschiedene Initiativen wie die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), die Global Alliance for Vaccines and Immunisation (GAVI), und, spezifisch für Covid-19, COVID-19 Vaccines Global Access (COVAX).

In den letzten Jahren gab es erfreulicherweise auch positive Entwicklungen. Über eine Million Kinder in Ghana, Kenia und Malawi haben im Rahmen eines von der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) koordinierten Pilotprogramms eine oder mehrere Dosen des weltweit ersten Malaria-Impfstoffs erhalten. Die Malaria-Impfstoff-Pilotprojekte, die im April 2019 erstmals von der Regierung Malawis gestartet wurden, haben gezeigt, dass der Malaria-Impfstoff RTS,S/AS01 (RTS,S) sicher ist, verabreicht werden kann und schwere und tödliche Malariafälle erheblich reduziert. Diese Ergebnisse ebneten den Weg für die historische Empfehlung der WHO vom Oktober 2021 über den verstärkten Einsatz von RTS,S bei Kindern, die in Gebieten mit mäßiger bis starker Malaria-Übertragung leben. Die WHO schätzt, dass der Impfstoff, wenn er in großem Umfang eingesetzt würde, jedes Jahr das Leben von 40.000 bis 80.000 afrikanischen Kindern retten könnte. Die Gavi Alliance hat über 155 Millionen US-Dollar (USD) gesammelt, um die Einführung des Malaria-Impfstoffs in den für die Unterstützung der Gavi Alliance qualifizierten Ländern in Subsahara-Afrika zu unterstützen und die Beschaffung und Verteilung des Malaria-Impfstoffs in diesen Ländern zu fördern. Die WHO-Richtlinien können von Ländern konsultiert werden, die erwägen, RTS,S als zusätzliches Instrument zur Senkung der Malariafälle und der malariabedingten Todesfälle bei Kindern einzusetzen.

Die WHO hatte Afrika im August 2020 für frei von einheimischer Wildpolio erklärt. In den vergangenen vier Jahren waren auf dem Kontinent keine Fälle von Kinderlähmung mehr aufgetreten, was die Schwelle für die offizielle Erklärung der Ausrottung darstellt. Anfang 2022 musste dieser Status jedoch revidiert werden, als bei einem Mädchen in Malawi der Erreger nachgewiesen wurde. Das Land selbst galt seit 2005 als frei von Polio. Die afrikanische Gemeinschaft ist besorgt; jedoch haben die Länder im Kampf gegen Polio in den letzten Jahrzehnten viel Erfahrung sammeln können und hoffen, eine größere Ausbreitung zu verhindern. Als sofortige Reaktion wurde ein Impfprogramm für Kinder gestartet, welches 2,9 Millionen Kindern Schutz vor der Ansteckung mit dem Virus liefern soll.

 

Probleme und Lösungsansätze

Die Staaten der RKA sollten sich mit verschiedenen Aspekten des Themas beschäftigen und Lösungsansätze finden. Für einen Ausbau von präventiven Maßnahmen, eine gerechtere Verteilung von Mitteln gegen Krankheitsausbrüche wie Impfstoffe oder Medikamente und einen größeren Wissensaustausch: Sowohl Wissen zu Medikamenten- und Impfstoffentwicklung an afrikanische Staaten als auch Wissen zur Erregererkennung, ihrem Nachweis und Krisenreaktion an die anderen Weltregionen.

Zunächst zur Prävention: Neue, gefährliche Krankheitserreger springen fast immer aus dem Tierreich auf den Menschen über. Ebola von Fledertieren, SARS von Larvenrollern, AIDS von Schimpansen, Influenza von Wasservögeln. Das Ebolavirus zirkulierte wahrscheinlich bereits viele Jahre vor dem aktuellen Ausbruch in Westafrika. Mit einfachen Laborgeräten und einem Mobiltelefon ausgestattet, könnten Krankenstationen in gefährdeten Regionen als Sensoren eines globalen Überwachungssystems fungieren, was jedoch nur mittelfristig eine Lösung darstellt. Durch Jagd und Abholzung dringt der Mensch immer stärker in den Lebensraum von Wildtieren vor, wodurch sich das Risiko für einen erneuten Übersprung erhöht. Im Auftrag der CIRAD, einem Programm zur Rettung des Wildtierbestands, wurde ein Programm zur Listung erlegter Wildtiere geschaffen. Dies dient mittlerweile nicht mehr zur Bestandskontrolle, sondern auch als wichtiges Glied in einer Kette an Anstrengungen zur Verhinderung einer neuen Pandemie durch Zoonosen. Das CRIMF liefert einen weiteren wichtigen Beitrag hierzu. Die Forscher nehmen Proben von verschieden Tierarten und dokumentieren die festgestellten Viren um einen Übersicht möglicher Zoonose Kandidaten mit Epidemiepotenzial zu erhalten, dies ist ein erster Schritt in Richtung eines gut funktionierenden Frühwarnsystems. Langfristig muss es also oberste Priorität sein, das weitere Vordringen des Menschens in den natürlichen Lebensraum vieler Wildtiere so gut wie möglich auf null zu begrenzen.

Zweitens kann die Einbettung von Präventionsmaßnahmen in die Entwicklungspolitik einiges bewirken. Beispielsweise konnte sich Ebola beispielsweise auch deshalb in Westafrika so massiv ausbreiten, weil die Gesundheitssysteme und staatlichen Infrastrukturen versagten. Mangels rechtzeitiger Information wussten die Menschen lange nicht, wie sie sich schützen sollten. Gute Bildungs- und Gesundheitssysteme und funktionierende staatliche Infrastrukturen wären der beste Schutz gegen Epidemien. Der Weg dorthin ist jedoch lang und mit hohen Kosten verbunden. Als schnelle wirksame Maßnahme sollte die Seuchenprävention in alle relevanten Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit integriert werden. In den von Ausbrüchen besonders betroffenen Regionen kann häufig mit einfachen Mitteln ein erheblicher Beitrag zum Schutz vor gefährlichen Infektionserregern geleistet werden.

Zudem muss sich mit der ungleichen Verteilung von Ressourcen und Mitteln zur Krankheitsbekämpfung befasst werden. Die Hauptursache der ungerechten Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten zur Bekämpfung verschiedener übertragbarer Krankheiten liegt im Patentschutz, welcher reiche Staaten dazu befähigt, große Mengen an Impfdosen und Medikamenten zu horten und den Zugang zu diesen für ärmere Länder zu erschweren. Das Ergebnis ist eine starke Abhängigkeit der Länder des Globalen Südens gegenüber den Ländern des Globalen Nordens. Gefährlich ist dabei vor allem, dass die fortgesetzte Ausbreitung des Virus dafür sorgen könnte, Immunitäten gegen bereits bestehende Impfstoffe zu entwickeln, was uns wieder zurück an den Anfang des globalen Problems stellen würde. Die verschiedenen Positionen zu Patenten lassen sich beispielsweise an der Covid-19 Pandemie beobachten. Ein Großteil der G7-Staaten (10% der Gesamtbevölkerung) plädiert für eine Verpflichtung der Pharmakonzerne, durch die Regierungen Technologien und Formeln zur Herstellung von Impfstoffen zur Verfügung zu stellen. Außerdem haben sich mehr als 100 Länder (angeführt von Indien und Südafrika) für einen Verzicht auf geistige Eigentumsrechte an Impfstoffen in der Zeit der Pandemiebekämpfung bei der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) ausgesprochen. Blockiert wurde die Durchsetzung allerdings von den USA, Großbritannien, Japan, Kanada und der EU – diejenigen Staaten, welche am meisten von der Hortung der Impfstoffe durch den Patentschutz profitieren. Auch WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus fordert eine Lockerung von Patentrechten und Technologietransfer. Langfristig muss hier dringend eine Lösung gefunden werden, um allen eine schnelle Immunisierung möglich zu machen. 

Im Gegensatz zu Staaten des globalen Nordens kann man ein verstärktes Engagement Chinas erkennen. In der Pandemie haben viele afrikanische Staaten chinesische Impfstoffe erhalten. Nach Ansicht vieler westlicher Staaten sind politische Eigeninteressen der Haupttreiber für Chinas Hilfe. Eine Abhängigkeit Afrikas würde Chinas Präsenz auf globaler Ebene weiter stärken und damit auch dessen Einfluss und Macht. Nicht nur der Patentschutz spielt hier eine Rolle, sondern auch die notwendigen Investitionen, um den Impfstoff lokal herzustellen. Mit mehr Investitionen in die nötige Infrastruktur wäre diesem Problem relativ einfach entgegenzuwirken.

Nicht zuletzt muss der Wissensaustausch zwischen europäischen sowie afrikanischen Staaten und anderen Weltregionen verbessert werden. Während im Globalen Norden das Wissen zur Impfstoff- und Medikamentenentwicklung stärker vorhanden ist, haben afrikanische Staaten insbesondere seit dem viele Opfer fordernden Ebola-Ausbruch in Westafrika große Expertise in der Erkennung von Krankheitsausbrüchen und im Umgang mit ihnen entwickelt. Nicht umsonst werden viele Covid-Varianten in Südafrika entdeckt: Nicht unbedingt, weil sie dort entstehen, sondern aufgrund der Tatsache, dass dort Maßnahmen zur Erkennung von Varianten (die sog. Sequenzierung) stärker als in europäischen Staaten betrieben werden. Dafür hat die AU Institutionen aufgebaut, die sich extra mit Krankheitsbekämpfung beschäftigen, z.B. African Centers for Disease Control als Prevention (Africa CDC). Zudem kooperiert die AU sehr stark mit internationalen Organisationen wie der WHO und untereinander, was eine koordinierte Antwort auf Krankheitsausbrüche vereinfacht. Während der Covid-19-Pandemie hatten die afrikanischen Staaten bereits im Februar eine gemeinsame Strategie und im März einen Finanzierungsrahmen für die Maßnahmen verabschiedet, während in Europa Diskussionen über Grenzschließungen und Isolation gerade erst begannen. Mehr finanzielle Mittel aus dem Globalen Norden für diese wichtige Arbeit der Afrikanischen Union wären dringend nötig, aber gleichzeitig auch ein Lernen europäischer von den afrikanischen Staaten. 

 

Hinweise zur Recherche

Viele für das Thema relevante Materialien finden Sie auf den Seiten der Vereinten Nationen und der WHO. Hier finden Sie offizielle Dokumente, wie Resolutionen, Protokolle oder Berichte. Ebenso können Sie hilfreiche Informationen auf den Internetseiten der Afrikanischen Union, insbesondere der Africa CDC (https://africacdc.org/our-work/), der Bundeszentrale für politische Bildung oder des Auswärtigen Amtes finden.

Geht es um die konkreten Positionen einzelner Länder, ist es sinnvoll, auf Protokolle von Debatten (zu finden auf den Seiten der Parlamente), Pressemitteilungen und Zeitungsartikel zurückzugreifen. Weiterhin ist es empfehlenswert, dass Sie sich informieren, welche Krankheitsausbrüche es in Ihrem Land bereits gegeben hat und welche Herausforderungen es dort bei der Verteilung von Ressourcen gegeben hat. Nicht zuletzt könnten Sie herausfinden, wie Ihre Regierung zu mehr Kooperation in der AU steht oder was Kritikpunkte sind.

 

Lexikon

CIRAD: French Agricultural Research Centre for International Development (Französisches Agrarforschungszentrum für internationale Entwicklung)

CIRMF: Centre Interdisciplinaire de Recherches Médicales de Franceville (Interdisziplinäres Zentrum für medizinische Forschung von Franceville)

Generika: Arzneimittel, welche wirkstoffmäßig mit bereits zugelassenen Medikamenten übereinstimmen. Diese sind oftmals deutlich preiswerter, da es keine Forschungskosten gibt und die Entwicklungskosten gering ausfallen.

G7-Staaten: Informeller Zusammenschluss bedeutender Industrienationen der westlichen Welt (USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, Japan)

Patentschutz: Der Patentschutz ist ein gewerbliches Schutzrecht für eine Erfindung. Dies bedeutet, dass Patentinhabende anderen die Nutzung der Erfindung oder ihre Vervielfältigung verbieten können. Ein Patent wird auf Zeit gewährt.

Persönliche Schutzausrüstung (PSA): Gegenstände, die vor Gesundheitsbeeinträchtigungen (oder im Falle von Corona vor einer Ansteckung) schützen. Dazu gehören bspw. Masken, Kittel oder Brillen.

Waiver: Rechtsmittel, um auf bestimmte geistige Eigentumsrechte zu verzichten.

Zoonose: Übertrag von Viren von Tieren zu Menschen

 

Quellenangaben und weiterführende Links

Afrikanische Union, 2022, Promoting Health and Nutrition, ​​https://au.int/en/promoting-health-nutrition  (Seite der AU zur Thematik) (englisch).

Witt, Antonia, An Island of Internationalism. The African Union’s Fight against the Coronavirus pandemic, 2020, https://blog.prif.org/2020/04/07/an-island-of-internationalism-the-african-unions-fight-against-corona/  (Sehr hilfreicher Text zu den afrikanischen vorbildlichen Maßnahmen, englisch).

Amnesty Intermational, Umfrage: Mehrheit in G7-Ländern für gerechte Verteilung von Impfstoff Knowhow, 2021/05.05., https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/corona-g7-laender-gerechte-impfstoffverteilung  - mehr als 100 Länder forderten bei WTO Verticht auf geistige Eigentumsrechte, blockiert von USA, Großbritannien, Japan, Kanada, EU (deutsch).

Nikolaus Piper, Aus Aids lernen, 2020/28.05., https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pipers-welt-aus-aids-lernen-1.4921147 - Eindämmung von Aids in Afrika hat Notwendigkeit für internationale Kooperation verdeutlicht (deutsch).

Dr. Tim Heinemann, Impfstoffe „Made in Afrika“: Einschätzungen zum Aufbau einer lokalen Impfstoffproduktion 18.08.2022 https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Fokus-Volkswirtschaft/Fokus-2022/Fokus-Nr.-398-August-2022-Impfstoffe-Afrika.pdf

French Agricultural Research Centre for International Development https://www.cirad.fr/en 

Gavi, die Impfallianz https://www.gavi.org/vaccineswork/malaria-vaccine-road-has-been-long-and-tortuous-were-getting-there

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