forum Rückgabe von Kunstgegenständen und kulturellen Artefakten

Einführung in das Thema

Kurzzusammenfassung

Museen in aller Welt stellen Kunstwerke aus, die im 19. und 20. Jahrhundert aus ehemaligen Kolonien gestohlen und in das Land der Kolonialmacht gebracht wurden. Auch der  unerlaubte Erwerb von kulturellen Gütern nach Plünderungen von Kulturstätten während bewaffneter Konflikte oder durch illegale Ausgrabungen stellt nach wie vor ein Problem dar. Politisch oder wirtschaftlich instabile Länder, insbesondere in Regionen Südamerikas, Afrikas und Asiens, sind besonders betroffen vom illegalen Handel ihres kulturellen Erbes. Ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist die Diskussion um Ausstellungsstücke im Berliner Humboldt Forum, das 2019 eröffnet wurde. Die Diskussion über die Rechtmäßigkeit des Besitzes dieser Kulturgüter kam daraufhin erneut auf. 

Die internationale Gemeinschaft hat vielfältige Lösungen und Maßnahmen umgesetzt, die sich mit dem Schutz des kulturellen Erbes, dem Abbau von illegalen Handelswegen und der Rückgabe gestohlener Artefakte zu den Herkunftsländern widmen. Einige Konventionen und Deklarationen wurden verabschiedet, die auch auf internationaler Ebene einen rechtlichen Rahmen bieten. Einschlägige Konventionen und Deklarationen sind die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten und die UNESCO Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut. In vielen Fällen helfen diese jedoch nur direkt, da oftmals nicht oder nur schwer zu klären ist, wer Besitz und/oder Eigentum auf ein Kulturgut erheben kann. Hier können insbesondere Kooperationsprojekte hilfreich sein.

Punkte zur Diskussion

Bei ihrer Vorbereitung auf dieses Thema sollten die Delegierten überlegen, wie der Hauptausschuss 4 die oben genannten Herausforderungen in der Rückführung von Kunstgegenständen und kulturellen Artefakten angehen kann. Die folgenden Punkte können in Erwägung gezogen werden:

  • Wie kann eine Vereinheitlichung von Rechtsinstrumenten erreicht werden? Ist ein Vorschlag für eine neue Konvention notwendig? 
  • Welche Maßnahmen könnte ein neues Übereinkommen enthalten und welche Vorbehalte von Mitgliedstaaten sollten geltend gemacht werden können? 
  • Wie kann der Hauptausschuss 4, internationale Organisationen und die Mitgliedstaaten bestehende Systeme verbessern, um finanziell benachteiligten Ländern Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um ihr kulturelles Erbe zu schützen? 
  • Wie kann die internationale Gemeinschaft die Machtverhältnisse zwischen Staaten und Institutionen überwinden, um eine einheitliche und legitime Verhandlungsstrategie zu garantieren?  
  • Wie können bestehende Abkommen besser umgesetzt werden?

Einleitung

1897 wurde die Stadt Benin City im heutigen Nigeria von britischen Soldaten zerstört. Bis zu 10.000 Kunstgegenstände wurden während der Plünderung der Stadt entfernt und als Kriegsbeute nach London gebracht, von wo aus sie in der ganzen Welt verteilt wurden. Die entwendeten Kunstgegenstände sind weltweit als die ‚Benin-Bronzen‘ bekannt und bestehen unter anderem aus Masken ehemaliger König*innen Nigerias. Durch Auktionen landeten Bronzen unter anderem im Britisch Museum in London, dem Museum of Modern Art (MoMa) in New York und dem Ethnologischen Museum in Berlin. Seit Jahrzehnten fordern nigerianische Akteur*innen die Benin-Bronzen zurück, um sie selbst im eigens geplanten Edo Museum of West African Art in Benin City auszustellen. 2022 unterzeichneten Deutschland und Nigeria ein Abkommen über die Rückgabe der Benin-Bronzen in deutschen Museen, diese befinden sich jetzt in nigerianischem Eigentum, verbleiben teilweise aber vorerst als Leihgaben in Deutschland. Die Masken sind eines von zahlreichen Beispielen verschleppter Kunstgegenstände, die bis heute eine Debatte um die Restitution von Kunst und Kulturgütern an ihre Herkunftsländer anregen. 

Hintergrund und Grundsätzliches

Im Laufe der Geschichte wurden viele historische Artefakte aus einer Nation zu anderen transportiert. Unzählige archäologische Expeditionen wurden von Staaten auf der Suche nach Antiquitäten entsandt, um diese dann in den Museen ihrer Heimatländer auszustellen. In vielen Fällen wurden diese Artefakte jedoch ohne Erlaubnis der jeweiligen Staaten mitgenommen. Besonders in der Zeit der kolonialen Expansion europäischer Länder wurden Kulturgüter mit Gewalt entwendet – auch damals gab es bereits Stimmen, die dieses Vorgehen kritisierten und es als widerrechtlich bezeichneten. Dies war besonders in ehemaligen Kolonien europäischer Mächte verbreitet, in denen Gegenstände oft als allgemeine koloniale Beute oder im Rahmen archäologischer Untersuchungen beschlagnahmt wurden. Heutzutage befinden sich viele Gegenstände aus dieser Zeit in Museen der ehemaligen Kolonialmächte. In Afrika verbleiben bis zum heutigen Tage gerade einmal 10% der afrikanischen Kunst. 

Ein Jahrhundert, nachdem die letzten Regionen kolonialisiert worden sind, verlangen Staaten auf allen Kontinenten die ihrer Meinung nach gestohlenen Kulturgüter zurück. Diese Forderungen stellen Museen, politische Entscheidungsträger*innen und die Öffentlichkeit vor Fragen: Wem gehören die Kulturgüter (aus historischer, rechtlicher oder ethischer Sicht)? Sollen Museen diese Kulturgüter noch ausstellen dürfen und wenn ja, wie? Wie kann die Geschichte dieser Kulturgüter erforscht werden?  Wie können diese Kulturgüter oder Teile davon zurückgegeben werden?

Was gilt als Kulturgut eines jeweiligen Landes? Das „kulturelle Eigentum“ jedes Landes ist ein besonders vager Begriff, weshalb eine Definition als schwierig angesehen wird. Hilfreich ist die im Rahmen der Haager Konvention von 1954 festgeschriebene Definition der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO). Der Begriff „Kulturgut“ bezieht sich in Artikel 1 der Konvention – unabhängig von Herkunft oder Besitz – auf Güter, die für das kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung sind. Dazu gehören zum Beispiel Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmale religiöser oder weltlicher Art. Ebenso zählen bewegliche Güter wie Kunstwerke und Bücher als Kulturgut.

Der Begriff Kulturerbe wird häufig verwendet, um universelle Kulturgüter zu beschreiben, die der Weltgemeinschaft gehören, obwohl sie rechtlich im Besitz einer bestimmten Person oder Gruppe sein können. Auch die Eigentumsfrage kann strittig sein. Werke aus außereuropäischen Kulturen, die in europäischen Museen ausgestellt sind, entfachen häufig Debatten über den rechtmäßigen Besitz, wie etwa die Büste der Königin Nofretete im Neuen Museum in Berlin. Rechtlich gehört die Büste Deutschland, aber Ägypten behauptet, ihr rechtmäßiger Eigentümer zu sein. Während argumentiert werden kann, dass die Ausstellung in einem Berliner Museum den Status der Büste von nur einem von vielen archäologischen Funden zum Weltkulturerbe erhoben hat, ist Ägypten der Ansicht, dass das Herkunftsland den Besitz des Kunstwerks bestimmen sollte. 

Viele solcher umstrittenen Kulturgüter gelangten durch von Forscher*innen aus Kolonialstaaten durchgeführten Expeditionen in die Museen. Insbesondere in Großbritannien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, den USA und Deutschland sehen sich Museen daher mit zahlreichen Rückgabeforderungen konfrontiert. Staaten, die keine aktive Kolonialpolitik betrieben haben, verfügen über verhältnismäßig wenig Objekte.  Doch auch hier – meist in Staaten des globalen Nordens – gibt es Museen, Sammler*innen und Kunsthändler*innen, die Objekte über Auktionen oder teils legale Käufe erwerben. 

Aktuelles

Illegale Ausgrabungen an archäologischen Stätten, die Plünderung von Kulturstätten und der Diebstahl von Kunstwerken aus Kirchen und Museen weltweit bedrohen die wissenschaftliche Erschließung, Erhaltung und den allgemeinen Zugang zu unserem gemeinsamen Kulturerbe. Der illegale Handel mit Kulturgütern ist milliardenschwer und die damit verbundenen Verluste unermesslich. Die internationale Staatengemeinschaft hat daher mit einer Reihe von Maßnahmen zum Schutz vor der Kulturausbeutung reagiert. Maßgeblich bei der Regelung um Rückgabe und Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern sind drei von der UNESCO initiierte Rahmenwerke. 

1954 berief die UNESCO die Mitgliedstaaten ein, um sich mit dem Schutz von Kulturgut in Zeiten von Konflikten und militärischer Besetzung zu befassen. Daraufhin verabschiedeten die Parteien die Haager Konvention (Original: Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict). Die Haager Konvention mit ihren beiden Zusatzprotokollen enthält eine Vielzahl von Maßnahmen, sowohl im Hinblick auf vorläufige Sicherungsmaßnahmen in Friedenszeiten als auch auf geplante Maßnahmen im Falle eines bewaffneten Konflikts, die auf internationaler Zusammenarbeit und gegenseitigem Engagement beruhen. Schutzgegenstand ist Kulturgut im Sinne von Artikel 1 der Konvention: Bewegliches und unbewegliches Vermögen von großer Bedeutung für das Kulturerbe jedes Volkes.

1970 verabschiedete die Generalversammlung der UNESCO das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Original: Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property 1970). Dieses formuliert die Mindestvorschriften für die Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels sowie für Maßnahmen zum Schutz des eigenen Kulturguts zur Verhinderung rechtswidriger Ausfuhr, zum Schutz vor der unrechtmäßigen Einfuhr von Kulturgut aus anderen Vertragsstaaten und zum Ersuchen um Rückkehr in das Herkunftsland. Es ist eines der wichtigsten Übereinkommen zum Schutz von Kulturgut auf internationaler und bilateraler Ebene. Die Konvention basiert auf der Annahme, dass vor allem der illegale Handel mit kulturellen Artefakten eine Bedrohung für den Erhalt des kulturellen Erbes darstellt. Für Fälle von Rückgabe oder Restitution von Gegenständen, die aus Privateigentum gestohlen wurden oder aus illegalen Ausgrabungen stammen, werden gemäß Artikel 9 des Übereinkommens bilaterale Verhandlungen zwischen Staaten gefördert – es gibt hier allerdings keine bindenden Regelungen. Des Weiteren gelten die Maßnahmen erst ab dem Zeitpunkt, an dem beide Staaten das Übereinkommen umgesetzt haben. Es ist also nicht rückwirkend. Jedes Ersuchen um Restitution könnte daher mit einer hohen Auszahlung an die rechtmäßigen Eigentümer*innen der Güter einhergehen, was für ehemalige, an Geldmangel leidende Kolonialländer, eine Herausforderung darstellen kann.

Darüber hinaus unterstützt die UNESCO Länder durch verschiedene internationale Mechanismen, um die Ziele der Konventionen zu fördern und die Rückgabe des illegal exportierten Kulturerbes an die Herkunftsländer zu erleichtern. Das zwischenstaatliche Komitee zur Förderung der Rückgabe von Kulturgut an seine Länder oder seine Restitution bei illegaler Aneignung (Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in case of Illicit Appropriation, ICPRCP) und der Fonds der ICPRCP sind Beispiele für diese von der UNESCO eingerichteten Mechanismen. Die Rolle der ICPRCP besteht darin, den Abschluss bilateraler Abkommen zur Restitution illegal erworbenen kulturellen Erbes an das Herkunftsland zu vermitteln. Einige erfolgreiche Restitutionen gab es bereits, wie zum Beispiel die Bergung der Boğazköy-Sphinx in der Türkei und der Makondé-Maske in Tansania. Der Fonds hat die Aufgabe, finanzielle Mittel in diesem Zusammenhang bereitzustellen. Das umfasst Kosten für die Überprüfung von Kulturgütern durch Sachverständige und den Transport der Objekte.

Da private Eigentümer*innen oder religiöse Organisationen in den rechtlichen Maßnahmen der 1970 Konvention außen vor gelassen wurden, ersuchte die UNESCO 1984 das Internationale Institut für die Vereinheitlichung von Zivilrecht (UNIDROIT) sich mit diesen Leerstellen zu befassen. Die UNIDROIT Konvention über gestohlene oder illegal ausgeführte Kulturgüter (Original: Convention on Stolen or Illegally exported Cultural Objects) wurde 1995 in Rom mit dem Ziel verabschiedet, die UNESCO-Konvention zu ergänzen und zu erweitern. Die UNIDROIT-Konvention befasst sich mit dem illegalen Handel mit Kulturgütern, dem Diebstahl von Kulturgütern und deren illegaler Ausfuhr. Einer der wichtigsten Vorschläge dieser Konvention ist der verstärkte Schutz von Kulturgütern durch die Ausweitung der Kulturgüterdefinition und erweiterte Rechte bei der Inanspruchnahme und Rückgabe solcher Gegenstände. Darüber hinaus wurden weitere Maßnahmen zur Entschädigung von gutgläubigen Käufer*innen oder Besitzer*innen sowie zur Frage der Rückführung des Kulturerbes indigener Völker ergriffen. 

2015 nahm die Generalversammlung der UN (United Nations General Assembly) die Agenda 2030, als eine Liste von Maßnahmen zur Erreichung einer globalen nachhaltigen Entwicklung bis 2030 an. Sie bekräftigte die Notwendigkeit der Erhaltung kulturellen Erbes als wichtiger Teil des Aufbaus integrativer und friedlicher Gesellschaften gemäß den Nachhaltigen Entwicklungszielen  (Sustainable Development Goals, SDGs) 11 bzw. 16. Der UN Sicherheitsrat forderte die Mitgliedstaaten ferner auf, geeignete Schritte zu unternehmen, um aus Konfliktgebieten gestohlene Artefakte zurückzugeben, die als notwendig erkannt wurden, um den Frieden in den von bewaffneten Konflikten verwüsteten Gebieten wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.

Während ihres 44. Plenartreffen am 6. Dezember 2021 verabschiedete die Generalversammlung  einstimmig eine Resolution zur Rückgabe oder Rückführung von Kulturgut an Herkunftsländer (Original: Return or restitution of cultural property to the countries of origin, A/RES/76/16). Vorgeschlagen wurde die Resolution von Griechenland und wird von 111 Ländern unterstützt. In dieser Resolution wird anerkannt, dass keine Region der Welt vom illegalen Handel mit Kulturgütern unberührt bleibt und dass beispiellose Angriffe auf Kulturgüter im Nahen Osten und anderswo verübt werden. Da die Resolution ohne Abstimmung einmütig von der Generalversammlung verabschiedet wurde, überrascht es nicht, dass die Formulierungen darin sehr milde und konsensorientiert sind. So werden beispielsweise nur die UN-Institutionen und nicht die Mitgliedsstaaten der UN direkt aufgefordert, sich mit der Rückgabe von Kulturgütern zu befassen.

Probleme und Lösungsansätze

Wie oben bereits erläutert wurde, ist die Rückgabe von Kulturgütern nicht ganz unproblematisch. Zum einen ist es erforderlich, die Definition von Kulturgut zu überdenken und eine Formulierung zu schaffen, die seine Bedeutung vollständig abdeckt und den Schutz von Artefakten unterstützt. 

Tatsächlich ist das Verfahren der Rückführung von Kulturgütern schwierig umzusetzen, da zahlreiche rechtliche und ethische Probleme Hindernisse darstellen. Die erforderlichen Lösungen müssen daher vielfältig und praktisch sein. Trotz der Bemühungen, die insbesondere von Ländern aus dem globalen Norden wie Griechenland, Italien und der Türkei sogar in Zusammenarbeit mit der UN unternommen werden, bleiben viele Meisterwerke ihren Herkunftsländern fern. Im Oktober 2014 kämpfte die Anwältin Amal Clooney zusammen mit Mitgliedern der International Association for the Reunification of the Parthenon Sculptures für die Rückgabe der im Britischen Museum ausgestellten sogenannten Elgin Marbles an Griechenland. Auch die UNESCO hat in dieser Angelegenheit Maßnahmen ergriffen, indem sie die britische Regierung aufgefordert hat, in dem Fall eine Schlichtung einzuleiten. Das Vereinigte Königreich verweigerte sich und argumentiert, dass die antiken Skulpturen im 19. Jahrhundert legal von einem schottischen Diplomaten erworben wurden. Die entsprechenden Dokumente werden seit Jahren von Historiker*innen untersucht. Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass Lösungen nur durch grenzüberschreitende Kooperationen in Bildung, Wissenschaft und Forschung entstehen. 

Für die Restitutionsdebatte spielt die Provenienzforschung eine große Rolle. Das Ziel der Forschung in diesem Bereich ist, den historischen Verlauf des Besitzes und die ursprüngliche Herkunft eines Objekts aufzuzeigen und so auch feststellen zu können, welche Objekte auf legalem Weg erworben wurden. Gerade für die ursprünglichen Besitzer*innen von Kulturgütern ist Provenienzforschung sehr wichtig, um einen Anspruch auf geraubte Objekte stellen und eine Rückgabe fordern zu können. Auch auf Museen wächst der Druck, die Herkunft ihrer Objekte zu erforschen und sicherzustellen, dass es sich dabei nicht um Raubgut handelt. Hier braucht es vor allem Förderprogramme, die die Kooperation zwischen Forscher*innen, Nichtregierungsorganisationen und Institutionen aus verschiedenen Ländern unterstützen.

Als Argument gegen die Restitution von Kulturgütern wird oft genannt, dass in den Ursprungsländern keine Museen für eine qualitätsvolle Aufbewahrung dieser Ausstellungsstücke zur Verfügung stünden. In vielen Fällen trifft diese Aussage jedoch nicht zu und ist eher von stereotypen Vorstellungen von der scheinbaren Rückständigkeit andere Länder geprägt. Auch in Museen des globalen Nordens sind die Aufbewahrungsmöglichkeiten von Kulturgütern nicht unbedingt ideal und es kommt zu Schäden an Ausstellungsstücken in Museen. Kooperationen zwischen Museen und Forscher*innen sind hier ein wichtiges Mittel, um solche stereotypen Vorstellungen zu überwinden, von denen beide Seiten profitieren können.

In der aktuellen Praxis entstehen einige neue Ansätze in der Debatte um Restitution. Während einige Lösungen auf eine Rückführung oder eine darauf aufbauende Regelung abzielen, bieten andere – unter bestimmten Voraussetzungen – eine Alternative zur Restitution.  Zu den bereits durchgeführten Lösungen zählen unter anderem die Restitution begleitet von Maßnahmen der kulturellen Zusammenarbeit, eine formale Anerkennung der Bedeutung für die kulturelle Identität als erster symbolischer Schritt, langfristige Leihgaben, Miteigentum oder Treuhandschaft und einige andere. Auch wenn sich immer mehr Tendenzen zu solchen „Kompromissen“ herausstellen, fehlen hierfür noch rechtliche Grundlagen. 

Die Rückgabe von Kulturgut ist seit jeher in erster Linie eine Angelegenheit des Staates und der Auseinandersetzungen zwischen Staaten. Immer mehr Fokus muss jedoch auch auf die Einbeziehung bisher vernachlässigter Akteur*innen gelegt werden, die Anspruch auf Eigentum an bestimmten Gütern haben. Dazu gehören unter anderem indigene Bevölkerungen wie Māori, Taino, verschiedene indigene Gesellschaften Nordamerikas. In diesem Fall bieten sich auch Kooperationen zwischen Museen an, die indigene Kulturgüter aufbewahren und konservieren, und indigenen Gruppen, die diese Kulturgüter bei Bedarf verwenden können. Solche Projekte gibt es bereits in den USA und Kanada.

Darüber hinaus ist es von grundlegender Bedeutung, die internationale Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis zwischen den Herkunftsländern und den Marktländern, Regierungen und Einzelpersonen, bundesstaatlichen und privaten Institutionen und Organisationen zu fördern, um Lösungen im Interesse aller Parteien zu finden. Zusätzliche Gesetzgebung, die Umsetzung von Konventionen, Vereinbarungen oder sogar Prozesse sind einige der Maßnahmen, die ergriffen werden können, um dem Thema angemessen zu begegnen. 

Auch der illegale Handel mit Kulturgütern bedroht weiterhin nicht nur die Unversehrtheit der Gegenstände selbst und der Stätten, von denen sie stammen, sondern auch das kulturelle Erbe der betroffenen Nationen. Folglich müssen die Vorschriften gestärkt und erforderliche Kontrollen umgesetzt werden. Dazu gehören Ursprungszertifizierung, strengere Kontrollen in Zollbehörden, Beratung durch Experten, eine einheitliche Definition für die Ausfuhr und Einfuhr von Kulturgut und stärkere Sicherheitsmethoden und -strategien zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgut sowie Diebstahl.

Hinweise zur Recherche

Nachrichten zur Rückgabe von Kulturgütern in verschiedenen Ländern weltweit fasst die gemeinnützige Plattform Returning Heritage auf Englisch zusammen unter: https://www.returningheritage.com/geographic-archive

Dort findet sich neben Informationen zu einzelnen Ländern auch eine geografische Karte mit besonders bekannten Kulturgütern, für die eine Rückgabe gefordert wird. Darüber hinaus sollte in aktuellen Medienberichten (auf Englisch) recherchiert werden, welche aktuellen Entwicklungen es im jeweiligen Staat gibt und ob Rückgabeforderungen vorliegen.

Lexikon

Kulturerbe: Als Kulturerbe wird die Gesamtheit der materiellen und immateriellen Kulturgüter bezeichnet. Es ist als Zeugnis der menschlichen Schaffens- und Schöpfungskraft von historischer, gesellschaftlicher, künstlerischer, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Bedeutung und wird deshalb geschützt, gepflegt, erhalten und möglichst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Kulturerbe-Begriff ist variabel und kann je nach Land und Zeitpunkt unterschiedlich interpretiert werden.

Kulturgut: Kulturgüter sind Gegenstände, denen ein Land großen künstlerischen, geschichtlichen oder archäologischen Wert beimisst und die Teil des Kulturerbes des betreffenden Landes sind.

Provenienzforschung: Forschung, die sich mit der Herkunft (Provenienz) von Kunstwerken beziehungsweise Kulturgütern allgemein beschäftigt. Neben wissenschaftlichen Institutionen wird diese vor allem auch von Museen selbst betrieben.

Restitution: Der aus dem Lateinischen stammende Begriff bedeutet soviel wie „Wiederherstellung“.Synonyme sind „Rückführung“ und „Rückgabe“. Gemeint ist damit die Rückgabe von Kunst- und Kulturgütern an ursprüngliche Besitzer*innen.  
 

Quellenangaben

Dokumente der Vereinten Nationen

UNESCO, Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, 14.05.1954, https://www.unesco.at/kultur/kulturgueterschutz/die-haager-konvention-1  (Deutsch)

Generalversammlung der Vereinten Nationen, Return or restitution of cultural property to the countries of origin (A/RES/76/16), 2021. https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N21/375/04/PDF/N2137504.pdf?OpenElement  (Englisch)

UNIDROIT, Convention on Stolen or Illegally exported Cultural Objects, 1995. https://www.unidroit.org/instruments/cultural-property/1995-convention/

UNESCO. Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property 1970, Paris, 14 November 1970, United Nations Treaty Series, verfügbar unter http://portal.unesco.org/en/ev.php-URL_ID=13039&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html.  

Weiterführende Links und Literatur

Dirk Peitz, Benin-Bronzen: Ein historischer Moment, und doch nur ein Anfang, 02.07.2022, https://www.zeit.de/kultur/2022-07/benin-bronzen-rueckgabe-raubkunst-kolonialismus  – Artikel der Zeit zur Übergabe der deutschen Benin-Bronzen an Namibia (Deutsch)

John Oliver, Last Week Tonight: Museums, Oktober 2022, https://www.youtube.com/watch?v=eJPLiT1kCSM  – Video des US-amerikanischen Satirikers zu geraubten Kulturgütern in Museen (Englisch)

Gesa Bierwerth, Kulturerbe, in: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2014, www.ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32713 (Stand 16.06.2014, Deutsch). 

Committee on Culture, Science and Education, Ending the plundering of African cultural objects, Report Doc. 10063, 2004, https://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/X2H-Xref-ViewHTML.asp?FileID=10424&lang=en . (Englisch)

Isabel Einer, Ikone einer Debatte. Eine Rezeptionsgeschichte der „Benin Bronzen”,Juli 2021, https://www.bpb.de/apuz/nigeria-2021/337818/eine-rezeptionsgeschichte-der-benin-bronzen

Europäische Kommission, Taxation and Customs Union, Stand 2017, https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/customs-controls/cultural-goods_de  (Deutsch)

Daphne Frankl, RESTITUTION VON KUNST- UND KULTURGÜTERN . In: eLib.at (Hrg.), 09. Januar 2022, http://elib.at (Deutsch)

Alexander Hermann, Fifty years on: the meaning of the 1970 UNESCO Convention, 2020 https://ial.uk.com/fifty-years-on-unesco-convention/ (Englisch)

Süddeutsche Zeitung, Streit um Pharaonin, 2011,  https://sz.de/1.1050379.  (Deutsch)

„Return and Restitution“ Intergovernmental Committee (n.d.). Verfügbar unter https://en.unesco.org/fighttrafficking/icprcp

M.A. Remold, New Developments in the Restitution of Cultural Property: Alternative means of Dispute Resolution, 2010, International Journal of Cultural Property 17(01):1-31 (Englisch)

Paul Wood, Display, Restitution and World Art History: The Case of the Benin Bronzes, in: Visual Culture in Britain 1/2012, S. 115–137 (Englisch)

Rat der Europäischen Union, Vorbeugung gegen die illegale Einfuhr von Kulturgütern: Rat legt seinen Standpunkt fest, 2018, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2018/11/07/preventing-illegal-import-of-cultural-goods-into-the-eu-council-agrees-its-position/ - Pressemitteilung des Rats der Europäischen Union zur Vorbeugung gegen die illegale Einfuhr von Kulturgütern (Deutsch)

UNIDROIT, UN General Assembly unanimously adopts resolution on “Return or restitution of cultural property to the countries of origin”, 2021, https://www.unidroit.org/un-general-assembly-unanimously-adopts-resolution-on-return-or-restitution-of-cultural-property-to-the-countries-of-origin/ - Pressemitteilung UNIDROIT zur Annahme des Beschlusses zu „Rückgabe oder Rückgabe von Kulturgut an die Herkunftsländer (Englisch)

Goethe Institut, Cultural Heritage: How it develops and what it means, 2018, https://www.goethe.de/en/kul/ges/eu2/erb/21331573.html - Beitrag zum Thema Kulturerbe (Englisch)

Goethe Institut, Provenance Research: The long arm of colonialism, 2018 https://www.goethe.de/en/kul/wis/21447279.html. - Beitrag zum Thema Provenienzforschung (Englisch)

Goethe Institut, Repatriation Debate: The restitution of colonial artefacts is going slowly. Goethe Institut, Latitude. https://www.goethe.de/prj/lat/en/spu/21648911.html  - Beitrag zum Thema Repatriation Debate (Englisch)

Catherine Hickley, Der Umgang mit Raubkunst ist eine Frage der Gerechtigkeit. Internationale Politik Magazin 03/2021, https://internationalepolitik.de/de/der-umgang-mit-raubkunst-ist-eine-frage-der-gerechtigkeit - Essay über die aktuellen Entwicklungen der Restitutionsdebatte in Europa (Deutsch)

Arnold-Bergstraesser-Institut, Erklärung der Teilnehmenden des int. Seminars Probleme der Restitution und Rückführung geraubter und illegal erworbener afrikanischer Objekte in europäischen Museen, 2018, 

https://www.arnold-bergstraesser.de/news/erklaerung-der-teilnehmenden-des-int-seminars-probleme-der-restitution-und-rueckfuehrung  - Beitrag zum Thema Probleme der Restitution und Rückführung (Englisch)

Götz Aly, Das Prachtboot, Wie Deutsche die Kunstschätze der Südsee raubten, 2. Auflage, Berlin 2021 - Empfehlenswertes Buch zur Provenienz und Restitution sowie ein sehr prominentes Beispiel, bei dem sich über die Herkunft des Luf-Boots im Ethnologischen Museum Berlin gestritten wird (Deutsch)

Bénédicte Savoy, Afrikas Kampf um seine Kunst: Geschichte einer postkolonialen Niederlage, 3. Auflage, München 2021 - ernüchternder aber auch sehr interessanter historischer Aufriss der Geschichte sowie Probleme von Restitution afrikanischer Kunst (Deutsch)

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