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Einführung in das Thema

Teilhabe marginalisierter Gruppen an Versöhnungsprozessen 

 

Triggerwarnung: Dieser Gremientext behandelt teilweise sexualisierte Gewalt und andere Gewaltverbrechen. Die entsprechenden Absätze und Quellen sind gekennzeichnet und können daher übersprungen werden. Bitte zögern Sie bei Unwohlsein auch nicht, die Vertrauenspersonen oder die Teilnehmendenbetreuung zu kontaktieren.


 

Kurzzusammenfassung

 

Auch nach dem Ende bewaffneter Auseinandersetzungen sind Konflikte nicht sofort beendet. Häufig gehen Unterdrückungen einiger Gruppierungen weiter, einzelne Gesellschaftsteile kommunizieren nicht miteinander und direkte Konfliktteilnehmer*innen müssen in die Gesellschaft wieder integriert werden. 

Damit Gesellschaften lernen, mit dem Geschehenen umzugehen und in Zukunft wieder (besser) miteinander zu kommunizieren, ist eine Aufarbeitung von Konflikten und das Anstreben eines Versöhnungsprozesses nötig. Solche Maßnahmen funktionieren erfahrungsgemäß nur dann, wenn Minderheiten und marginalisierte Gruppierungen an diesen Prozessen beteiligt werden. Marginalisierte Gruppierungen sind Gruppen, die aufgrund von herrschenden Machtbeziehungen benachteiligt werden; dazu können beispielsweise Frauen in patriarchalen Gesellschaften, indigene Bevölkerungen wie die Sámi in Norwegen, Schweden, Finnland und Russland oder Menschen, die von Armut betroffen sind, gehören. Jedoch ist der Ausschluss von Minderheiten aus politischen Prozessen nach wie vor ein globales Problem.


 

Punkte zur Diskussion

 

Wie kann die Beteiligung marginalisierter Gruppen sichergestellt werden? Welche Barrieren müssen beachtet werden (Stigmatisierung, Re-Traumatisierung, Abwesenheit von Zeug*innenschutz, akademische Sprache, Staatszentrismus)? Wie können diese Barrieren ausgeräumt werden?

Marginalisierte Gruppen werden häufig dann einbezogen, wenn es um “ihre” Themen geht (Frauen z.B. bei reproduktiver Gesundheit). Was muss getan werden, damit anerkannt wird, dass a) marginalisierte Gruppen zu allen Themen eine Meinung haben (können) und b) bestimmte Themen wie reproduktive Gesundheit alle Gesellschaftsgruppen etwas angeht?

Was sollte inhaltlich von Teil von Versöhnungsprozessen sein? Welche Verbrechen sollten beachtet werden (schwerste Gewaltverbrechen zwischen Konfliktgruppen oder auch häusliche Gewalt?)? Wofür werden Reparationen verhandelt? (z.B. auch für sozio-ökonomische Schädigungen, sexuelle Gewalt)?

Wie können Nichtregierungsorganisationen, speziell solche, die sich für die Rechte von marginalisierten Gruppen einsetzen, am besten in Versöhnungsprozesse eingebunden werden?

Wie kann eine bessere und langfristigere Finanzierung von Projekten sichergestellt werden und wie können Finanzierungen von unterschiedlichen Akteur*innen besser koordiniert werden?

Was für Unterstützung braucht es von internationalen, transnationalen oder regionalen Organisationen? Wie können verschiedene Unterorganisationen der UN ihre Einsätze besser koordinieren? Was können gemeinsame Leitlinien sein?


 

Einleitung

Post-Konfliktgesellschaften sind oftmals tief verletzte und gespaltene Gesellschaften. Nicht bewältigte Konflikte der Vergangenheit zwischen Individuen und Gruppen können jederzeit wieder aufbrechen und zu einem Rückfall in die Gewalt führen. Für einen dauerhaften Frieden sowie zur Verhinderung einer erneuten Eskalation von Konflikten ist Versöhnung daher unvermeidlich. Es geht darum, Beziehungen zwischen Menschen und Gruppen in der Gesellschaft und zwischen dem Staat und seinen Bürger*innen (wieder) aufzubauen und zu stärken. Dieser Prozess ist sehr kontextabhängig, und jede Gesellschaft muss ihre Herangehensweise an die Art des Konflikts und den Charakter des Übergangs anpassen.
 

Hintergrund und Grundsätzliches

Versöhnungsprozesse dienen dazu, nach einem (häufig bewaffneten) Konflikt die Konfliktparteien dazu zu bringen, wieder miteinander zu kommunizieren und in Zukunft friedlich zusammenleben zu können. Gleichzeitig kann und muss in diesen Prozessen auch die Vergangenheit aufgearbeitet werden, was juristische Mittel wie Gerichtsverfahren beinhalten kann. Bekannte Versöhnungsprozesse sind in Ruanda nach dem Völkermord 1994, in Nordirland nach Ende der Troubles, in Mindanao (Philippinen) oder auch in Kolumbien (mehr oder weniger stabil seit 2016). 

Die Vereinten Nationen fassen häufig vor allem drei Prozesse unter den Begriff “Versöhnungsprozess”: 

Nationale oder lokale Versöhnungen: Diese Prozesse stehen (idealerweise) allen direkt oder indirekt an den Konflikten beteiligten Akteur*innen offen, denn häufig kann man in Konflikten nicht einfach zwischen den an den Konflikten direkt beteiligten Kämpfer*innen und der Zivilbevölkerung unterscheiden. Die Versöhnungsprozesse erkennen an, dass viele Menschen in Konflikten viel weniger eindeutige Rollen einnehmen, beispielsweise Truppen mit Nahrungsmitteln versorgen, als Kindersoldat*innen dienen oder als Ehefrau eines Soldaten trotzdem im Camp anwesend sein. Sie ermöglichen dann idealerweise eine Versöhnung zwischen all diesen verschiedenen Menschen und Gruppierungen.

Wahrheitsfindungsprozesse: Diese dienen, wie der Name vermuten lässt, der Findung dessen, was im Konflikt geschehen ist. Häufig stehen Menschenrechtsverletzungen und andere Verbrechen im Zentrum. In sog. Wahrheitsfindungskommissionen werden Täter*innen, Opfer, aber auch andere Betroffene interviewt und auf Basis dieser Erzählungen oft ein Bericht erstellt. Die Umsetzung des Berichts liegt dann bei anderen Akteur*innen, beispielsweise der neuen Regierung des Staates.

Übergangsjustiz: Die im Konflikt begangenen Verbrechen wie schwere Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber auch beispielsweise Landstreitigkeiten müssen im Nachgang eines Konflikts gelöst werden. Häufig werden im Konflikt jedoch Justizinstitutionen wie Gerichte zerstört. Daher unterstützen die UN sog. “Übergangsjustizen”, die in genau dieser Lücke für Rechtsprechung zuständig sind.

Diese Prozesse können verschiedene Folgen haben. So kann es im Nachgang von landesweiten Versöhnungsprozessen zum Beispiel zum Schreiben neuer Gesetze oder auch einer neuen Verfassung kommen. Zudem können Reparationen vereinbart werden, also Leistungen, die im Konflikt Geschehenes entschädigen sollen (häufig Zahlungen an Betroffene von Gewalt). Die Prozesse haben somit eine große Bedeutung, da mit ihnen Momente gesellschaftlichen Wandels genutzt werden, aber auch strukturelle Ungleichheiten aus Zeiten des Konfliktes verfestigt werden können -  je nachdem, wie solche Prozesse ablaufen und wer einbezogen wird.

Marginalisierte Gruppen, welche aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Alter, Sprache, Gender oder sozio-ökonomischen Faktoren strukturell benachteiligt werden, bleiben in Versöhnungsprozessen oft unberücksichtigt, da der Fokus in diesen Momenten auf Stabilität und Frieden gelegt wird. Das wiederum kann zu ihrem Scheitern führen, denn eine Einbeziehung der breiten Bevölkerung ist für eine erfolgreiche Versöhnung nötig.
 

Aktuelles

Die Vereinten Nationen beteuern immer wieder die Wichtigkeit der Teilhabe von marginalisierten Gruppen an Versöhnungsprozessen, beispielsweise im Prinzip 4 der Guidance Note of the Secretary-General: United Nations Assistance to Constitution Making Processes (2009)), in welcher die Bedeutung der Beteiligung von Minderheiten an konstitutionellen Übergängen zum Ausdruck gebracht wird. 

In einigen nationalen Prozessen wurden marginalisierte Minderheiten aktiv in die Verhandlungen über Themen einbezogen, die sie direkt betreffen. In Südafrika zum Beispiel schuf das Ende der Apartheid Raum für Minderheiten wie Einheimische oder People of Colour, um eine zentrale Rolle in der Entwicklung der südafrikanischen Post-Apartheid-Verfassung (1994–96) zu spielen. Als Mitglieder der verfassunggebenden Versammlung waren auch in Nepal die Dalits und indigene Gruppen nach Ende des Bürgerkriegs 2006 in die Verhandlungen über die Ausarbeitung der neuen Verfassung des Landes involviert. In vielen Postkonfliktsituationen ist dies leider weiterhin nicht der Fall (s. Probleme und Lösungsansätze), und selbst wenn Schutz- oder Partizipationsgarantien in neue Verfassungen verankert werden, muss auch auf ihre Umsetzung geachtet werden.

Der Bereich der Versöhnung ist zudem, besonders im Vergleich zur Wirtschaftsförderung, nach wie vor extrem unterfinanziert. Zwar gibt es die Organisation „Gesellschaftliche Konflikttransformation“ (Societal Conflict Transformation, SCT), welche sich insbesondere mit der Aufdeckung von Kriegsverbrechen, Strafverfolgung, Entschädigung von Opfern und der Überwindung der Spaltung von Gesellschaften auseinandersetzt. Jedoch fließen kaum öffentliche Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit in diese. In einem Drittel aller Fälle erhielten die betreffenden Länder innerhalb der ersten fünf Nachkriegsjahre für entsprechende Projekte finanziell keine internationale Unterstützung aus diesen Mitteln.

Sogenannte „Transitional Justice“-Ansätze („Übergangsjustiz“) haben zudem seit einigen Jahren verstärkt Bedeutung zur Aufarbeitung der konfliktbehafteten Vergangenheit von Gesellschaften gewonnen. Diese „Übergangsjustiz“ beinhaltet nicht nur nach Verständnis westlicher Demokratien angelegte juristische Verfahren, wie internationale und nationale Kriegstribunale (bspw. die Gacaca Gerichte in Ruanda), Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, Reparationszahlungen für Überlebende von Kriegsverbrechen, Rehabilitationsprogramme und symbolische Wiedergutmachungen, sondern auch die Reform staatlicher Institutionen wie der Polizei, des Militärs oder der Gerichte. Sie zielen nicht nur auf die Herstellung von Gerechtigkeit, sondern auch auf die Aussöhnung – oder zumindest die Verbesserung der Beziehungen – zwischen den bisherigen Konfliktparteien und Prävention von zukünftigen Konflikten ab. 
 

Probleme und Lösungsansätze

Die Teilhabe an Versöhnungsprozessen wird maßgeblich dadurch definiert, wer Zugang zu ihnen hat. Daher spielt es eine wichtige Rolle, wo Verhandlungen und andere Maßnahmen stattfinden. Finden sie an verschiedenen Orten im ganzen Land statt, nur in großen Städten oder gar im Ausland? Je lokaler gearbeitet wird, desto geringer kann die Schwelle zur Teilnahme für Menschen mit wenigen Ressourcen sein. Das betrifft auch die Sprache, in denen Maßnahmen durchgeführt werden. In mehrsprachigen Ländern/Regionen ist es wichtig zu überlegen, wie mit dieser Diversität umgegangen wird. Teilweise werden Gruppen alleine dadurch von Versöhnungsprozessen ausgeschlossen, dass sie nicht die Amtssprache sprechen. Bestimmte Maßnahmen, wie z.B. die Beantragung von Reparationen setzen außerdem voraus, dass Menschen fähig sind, zu lesen und zu schreiben. Daher ist es wichtig darüber nachzudenken, wie auch analphabetische Personen Zugang zu Reparationszahlungen bekommen können.

Zudem stellt sich die Frage, welche Verbrechen oder Ungerechtigkeiten nach einem Konflikt tatsächlich Teil von Versöhnungsprozessen sein sollten. Frauenorganisationen fordern beispielsweise häufig die Einbeziehung von wirtschaftlichem Schaden während des Konflikts wie Landverlust oder von Verbrechen sexualisierter Gewalt in Entschädigungsverhandlungen, was meist außen vor bleibt. Andere Verbrechen wie häusliche Gewalt werden meistens auch nicht einbezogen, da sie als nicht zum Konflikt selbst gehörend angesehen werden, obwohl sie zumindest eine direkte Folge sein können.

Wichtige Partnerinnen vor Ort sind Nichtregierungsorganisationen. Diese setzen sich oft für die Rechte von bestimmten marginalisierten Gruppen ein und stehen daher in gutem Kontakt mit ihnen. Sie können helfen, sprachliche Barrieren zu überwinden und Vertrauen in die Institutionen des Versöhnungsprozesses herzustellen. Außerdem bieten solche Organisationen die Möglichkeit zum Austausch innerhalb der jeweiligen Gruppen, sodass gemeinsame Positionen ausgearbeitet werden können. Denn auch marginalisierte Gruppen sind zumeist heterogen, wodurch verschiedene Erfahrungen in Konflikten gemacht werden und in Versöhnungsprozessen verschiedene Bedürfnisse entstehen.

Nichtregierungsorganisationen spielen auch für Überlebende sexualisierter Gewalt eine wichtige Rolle. Häufig sind sie die einzige Anlaufstelle für Hilfe, während sie von der breiten Gesellschaft für das Erlebte ausgegrenzt werden. Dabei sind marginalisierte Gruppen, insbesondere Frauen und LGBTQIA+-Personen, sehr stark von sexualisierter Gewalt in Konflikten betroffen. Die Aufarbeitung der Geschehnisse ist wichtig, um intergenerationelle Traumata zu vermeiden, die langfristig destabilisierend wirken können. Sexualisierte und teilweise auch andere geschlechtsspezifische Gewalt ist mittlerweile oft als eigener Straftatbestand anerkannt und kann vor Gerichten und Straftribunalen verfolgt werden oder als Grundlage für den Erhalt von Reparationszahlungen dienen. Hierbei ist ein sensibler Umgang mit den Betroffenen wichtig, um Retraumatisierungen zu vermeiden. Auch die Wahrung der Anonymität ist wesentlich, um sie vor Diskriminierung und Stigmatisierung zu schützen. Das hat in der Vergangenheit oft nicht geklappt. Daher ist es zentral, Richter*innen, Ankläger*innen und Mitarbeiter*innen von Behörden im sensiblen Umgang mit Überlebenden sexualisierter Gewalt zu schulen. 

Auch wenn Versöhnungsprozesse sich auf lokaler Ebene abspielen, sind oft internationale Akteur*innen involviert. Vor allem am Anfang werden oft internationale Mediator*innen eingesetzt, um zwischen den verschiedenen Konfliktparteien zu vermitteln. Hier wird seitens der UN und anderen Regionalorganisationen verstärkt auf Geschlechterparität und Expertise in Gender-Themen geachtet. Es gibt außerdem verschiedene regionale Netzwerke, wie z.B. Femwise-Africa von der Afrikanischen Union, die selbst Mediator*innen ausbilden, diese entsenden und sich generell für die Teilhabe von Frauen in Versöhnungsprozessen einsetzen. 

Viele Länder haben mittlerweile nationale Aktionspläne dafür, wie sie die Teilhabe von Frauen in Versöhnungsprozessen unterstützen. Häufige Elemente hierbei sind die Finanzierung von Projekten, welche die Teilhabe von Frauen ermöglichen, sowie Quoten für Frauen in Übergangsinstitutionen und in Verhandlungen. Solche Maßnahmen  sind bedeutend und könnten auch auf andere Gruppen angewandt werden, sie haben aber auch ihre Probleme. Bislang gibt es zu geringe und zu wenig langfristige Finanzierung von solchen Projekten. Dadurch können sie nur begrenzt zur Teilhabe sowie zur Einbringung wichtiger Themen beitragen. Quoten sind ein mächtiges Instrument, um Frauen und Angehörige anderer marginalisierter Gruppen einzubeziehen. Hierbei besteht aber die Gefahr, dass sie auf die Repräsentation ihrer „gruppenspezifischen“ Themen reduziert werden. Dabei besteht der Sinn ihres Einbezugs nicht nur darin, dass sie für ihre eigenen spezifischen Rechte eintreten, sondern dass sie ihre Perspektive auf gesamtgesellschaftliche Themen einbringen können.

So wichtig das Engagement von internationalen Akteur*innen in Versöhnungsprozesse ist, so problematisch kann es auch sein, z.B. wenn sie lokale Gegebenheiten nicht gut genug kennen und Anstrengungen als Einmischungen empfunden werden. Vor allem das Engagement von westlichen Staaten kann schnell so wahrgenommen werden, wenn es an (neo-)koloniale Strukturen anschließt. Deswegen ist es wichtig, internationale Interventionen so zu gestalten, dass sie die lokalen Prozesse und vor allem die Teilhabe marginalisierter Gruppen unterstützen, ohne dass sie ihnen ihre eigene Agenda aufdrücken.
 

Hinweise zur Recherche

Ein guter Ausgangspunkt für die Recherche sind die unten angegebenen Quellen, welche die Teilhabe von marginalisierten Gruppen in Versöhnungsprozessen in verschiedenen Bereichen thematisieren. Zur weiteren Vertiefung können dort ebenfalls die Quellen, die ganz am Schluss der jeweiligen Texte angegeben sind, verfolgt werden. 

Weitere Informationen können auf den Websites verschiedener Organisationen, die sich mit dem Thema befassen, gefunden werden. So zum Beispiel über die regionalen Netzwerke für weibliche Mediatorinnen. Mehrere Netzwerke sind in der Global Alliance of Regional Women Mediator Networks verbunden, über die weitere Informationen zu Frauen in Friedensprozessen gefunden werden können. 

Viele Länder haben außerdem nationale Aktionspläne dazu, wie sie marginalisierte Gruppen, v.a. Frauen, in Konflikten und Versöhnungsprozessen unterstützen. Hierbei ist die Suche auf Englisch empfehlenswert. Hilfreiche Schlagwörter sind “Women, Peace and Security Agenda” und “National Action Plans”.
 

Lexikon

Afrikanische Union: Die Afrikanische Union (AU) ist der wichtigste Zusammenschluss afrikanischer Staaten. Sie wurde 2002 als Nachfolgerin der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) gegründet. Heute gehören ihr alle international anerkannten Staaten Afrikas an. Sitz der AU ist die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba.

Apartheid: Die Zeit, in der in Südafrika staatlich festgelegt und organisiert eine sog. Rassentrennung durchgeführt wurde.

Gender beschreibt die Geschlechtsidentität eines Menschen als soziale Kategorie z.B. im Hinblick auf seine Selbstwahrnehmung, sein Selbstwertgefühl oder sein Rollenverhalten in der Gesellschaft.

intergenerationelle Traumata: Traumata, beispielsweise verursacht durch Konfliktereignisse, die zwischen Generationen weitergegeben werden (bspw. die Sorge um genügend Nahrungsmittel auch in der deutschen Nachkriegsgeneration).

Kolumbien-Konflikt: Seit den 1960er Jahren andauernder Konflikt um Vorherrschaft in Kolumbien. 2016 wurde ein Waffenstillstand zwischen zwei der größten Parteien, der Regierung und der FARC, geschlossen, in dessen Nachgang Versöhnungsprozesse gestartet wurden.

Kriegstribunale: Gerichte, die im Konflikt begangene Verbrechen behandeln.

Kriegsverbrechen: Zu Kriegsverbrechen zählen unter anderem vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung und auf zivile Objekte (z.B. Krankenhäuser), Plünderung, sexuelle Gewalt und Kriegshandlungen, die, wie beispielsweise die Nutzung von Landminen, vermeidbares Leid verursachen. Diese Verbrechen können vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verhandelt werden. Weitere während eines Konflikts begangene Verbrechen fallen unter die sog. Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dazu zählen Verbrechen, die einen ausgedehnten oder systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung darstellen. Im einzelnen fallen darunter z.B. systematische Morde, Vertreibungen und Apartheid.  

Mindanao-Konflikt: Konflikt um die Sezession der Mindanao Region in Philippinen, der etwa seit den 1960er Jahren mehr oder weniger gewalttätig andauert. Seit 2019 hat die Region stärkere Unabhängigkeitsrechte, was den Konflikt weniger gewalttätig gemacht hat. Der Konflikt zeigt gut, dass auch ohne ein tatsächliches Friedensabkommen Versöhnungsmaßnahmen genutzt werden können, um auch zu Zeiten relativen Friedens Versöhnung bereits zu beginnen. 

Neokolonialismus meint die Politik entwickelter Industrienationen, ehemalige Kolonien, Entwicklungsländer, wirtschaftlich und politisch von ihnen abhängig zu halten. 

Rehabilitationsprogramme: Programme, die die Wiedereingliederung von an Konflikten beteiligten Menschen in die Gesellschaft zum Ziel haben.

Reparationen sind Leistungen, meistens in Form von Zahlungen, mit denen erlebtes Leid nach einem Konflikt kompensiert oder dessen Folgen abgemildert werden sollen. 

Eine Retraumatisierung ist das erneute Durchleben eines zuvor erlittenen Traumas. Traumata sind seelische Verletzungen, die oft durch extreme Erlebnisse wie z.B. bewaffnete Konflikte oder sexualisierte Gewalt hervorgerufen werden. Durch bestimmte Auslöser können Personen in die traumatisierende Situation zurückversetzt werden und erleben sie erneut.

 

Strukturelle Diskriminierung und Marginalisierung: 

Als Transitional Justice werden Prozesse, Praktiken und Organisationsformen bezeichnet, die darauf abzielen, Verbrechen einer gewaltsamen Vergangenheit eines Gemeinwesens nach einem gesellschaftspolitischen Umbruch (z. B. Bürgerkrieg, politischem Wandel, Sturz der Vorgängerregierung) aufzuarbeiten und den Prozess des Überganges vom Konflikt zum Frieden zu unterstützen.

Troubles: Konflikt in Nordirland insbesondere in den 1960er-1990er Jahren zwischen Unionists und Irish Nationalist and Republicans um den Status Nordirlands (als Teil Irlands oder Großbritanniens). Er endete offiziell 1998 mit dem Good Friday Agreement.

Völkermord: Ein Genozid ist eine Handlung, die durch Absicht der systematischen Zerstörung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe gezeichnet ist. Es muss also kein Mensch sterben, damit Genozid vorliegt – die Absicht, Menschen zu töten gilt auch als Genozid. Ein Genozid fand zum Beispiel 1994 in Ruanda durch die systematische Ermordung und Verfolgung der Tutsi durch die Hutu statt. 
 

Quellenangaben und weiterführende Links

Friederike Repnik und Martin Vehrenberg, Unterschätzte Akteure: Zivilgesellschaft in Versöhnungsprozessen, 2018, https://peacelab.blog/2018/10/unterschaetzte-akteure-zivilgesellschaft-in-versoehnungsprozessen  – Rolle von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in Versöhnungsprozessen und was die deutsche Bundesregierung tun kann, um sie zu unterstützen (deutsch)

Jeannette Böhme, Traumanachsorge ist Krisenvorsorge: Sexualisierte Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem anerkennen, 2020 https://www.globalwomenmediators.org/wp-content/uploads/2021/10/Global-Alliance-of-Regional-Women-Mediator-Networks.pdf  – Umgang mit Überlebenden von sexualisierter Gewalt, am Beispiel von Bosnien Herzegowina und Beschreibung der langfristigen Nachwirkungen von sexualisierter Gewalt auf Überlebende und die Gesamtgesellschaft (deutsch) 

Sicherheitsrat, Reconciliation Must Evolve to Reflect Growing Complexity of Today’s Conflicts, Participants Stress during Day-Long Security Council Open Debate, 2019, https://reliefweb.int/report/world/reconciliation-must-evolve-reflect-growing-complexity-today-s-conflicts-participants  – Zusammenfassung der letzten Debatte im Sicherheitsrat zum Thema (englisch) 

Rita Schäfer, Transitional Justice - Geschlechterpolitische Perspektiven für Übergangsgesellschaften, 2013, https://gender-mediathek.de/sites/default/files/importedFiles/2020/06/08/transitional_justice_web.pdf  – ausführliche Beschreibung der Rolle, die Justiz in Gesellschaften spielt, die einen Konflikt überwinden (deutsch)

International Institute for Democracy and Electoral Assistance, Marginalized Groups and Constitution Building, 2013, https://www.idea.int/sites/default/files/publications/marginalized-groups-and-constitution-building.pdf  –ausführliche Beschreibung, wie verschiedene marginalisierte Gruppen in das Schreiben von Verfassungen einbezogen werden können und welche Herausforderungen es dabei gibt sowie Empfehlungen wie diese überwunden werden können (englisch) 

UN Woman, Increasing Women’s Participation in Mediation Processes: What Roles for the United Nations, Regional Organizations and Member States, 2019, https://www.unwomen.org/sites/default/files/Headquarters/Attachments/Sections/Library/Publications/2021/Increasing-womens-participation-in-mediation-processes-en.pdf  – ausführliche Beschreibung über Frauen in Mediationsprozessen, wie der aktuelle Stand dabei ist und welche Ansätze es gibt, um sie verstärkt einzubeziehen (englisch)

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