forum Nachhaltiger Umgang mit der Ressource Sand

Einführung in das Thema

Hinweis: Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

1. Einleitung

Sand ist meist nicht der erste Rohstoff, der im Zusammenhang mit Ressourcenknappheit und -ausbeutung genannt wird. Doch tatsächlich ist er von beidem stark betroffen. Sand ist nach Luft und Wasser die drittmeist genutzte Ressource der Erde – und sie wird knapp. Etwa fünfzig Milliarden Tonnen werden jährlich meist zu Zement oder anderen Baustoffen verarbeitet. Außerdem wird er auch genutzt, um Strände oder ganze Inseln in Tourist*innenregionen aufzuschütten. Problematisch am Abbau des Sands ist, dass häufig große Umweltschäden entstehen, da Flussbetten und Meeresböden abgetragen werden und die dortige Flora und Fauna zerstört wird. Außerdem können Ufer instabil werden, was lang- und mittelfristig zu Landverlust und Überschwemmungen führen kann. Als Folge der bereits bestehenden Knappheit an Sand blüht der illegale Sandabbau, von dem kriminelle Organisationen massiv profitieren – und der große Umweltschäden verursacht.

 

2. Hintergrund und Grundsätzliches

Sand wird in vielen Formen im Bauwesen verwendet, wobei zwischen verschiedenen Körnungsarten von Sand unterschieden wird. Es gibt den klassischen Sand, den wir von Stränden kennen, aber auch Schotter oder gröbere Steine. Allesamt werden im Bauwesen als Gesteinskörnung bezeichnet und sind Bestandteil von Beton, Teer und vielen weiteren Baustoffen. Der Einfachheit halber wird im folgenden Text nur von Sand gesprochen.

Der Abbau von Sand übersteigt in vielen Regionen die natürliche Entstehung durch den Zerfall von Felsen, auch Erosion genannt. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Englisch: United Nations Environment Programme, UNEP) schätzte 2014, dass weltweit jährlich 40-50 Milliarden Tonnen Sand abgebaut werden, wobei ungefähr die Hälfte davon in der Bauindustrie verarbeitet wird. Global Aggregates Information Network (GAIN), ein internationaler Zusammenschluss von Verbänden, die sich mit dem Abbau von Sand befassen, schätzt, dass der Abbau durch fortschreitende Urbanisierung, Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum bis 2030 weiter auf 60 Milliarden Tonnen pro Jahr steigen wird. Die Länder mit dem größten Sandbedarf sind momentan China und Indien. Der große Bedarf ergibt sich aus dem durch den Strukturwandel bedingten schnellen Aufbau von Infrastruktur in den beiden Ländern.

Der Transport von Sand ist aufgrund seines hohen Gewichts relativ teuer. Daher wird er hauptsächlich regional abgebaut. Nur weniger als 5% des gesamten Handelsvolumens wird über Ländergrenzen hinaus gehandelt. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind Singapurs Importe aus Indonesien, welche für die Neulandgewinnung genutzt werden.
Für die Verwendung als Baustoff eignet sich besonders gut Sand aus Vorkommen direkt unter der Erde, aus Flüssen, von Stränden und vom Meeresgrund. Wüstensand kann aufgrund der feinen, runden Körner, die durch den Wind in der Wüste geschliffen werden, nicht als Baustoff verwendet werden. Neben der Möglichkeit, Sand abzubauen, der bereits in der gebrauchten Körnung vorliegt, kann Sand auch aus größeren Felsen gemahlen werden. Die zusätzlichen Arbeitsschritte sind jedoch mit erhöhten Produktionskosten verbunden. Dies führt dazu, dass Sand vermehrt aus Flussbetten, von Stränden oder vom Meeresgrund abgebaut wird, wo es häufig zu erheblichen Schäden für das gesamte Ökosystem kommt. Beim Abbau des Sandes werden auch die Tiere und Pflanzen des Meeresgrundes oder Flussbettes abgetragen, wodurch ein karger Grund zurückgelassen wird, auf dem kein Leben mehr existiert. Die Vertiefung von Flussbetten beim Sandabbau führt außerdem zu einer schnelleren Fließgeschwindigkeit, in der sich neue Pflanzen schwer am Grund halten können und eine Neubesiedlung somit erschwert wird. Wenn der abgebaute Sand von Stränden kommt, kommt es außerdem zu einem erheblichen Schaden in der lokalen Tourismusbranche. 

In Gebieten, in denen Sand abgebaut wird, kommt es häufig zu Konflikten zwischen Gemeinden und den abbauenden Firmen oder Organisationen. Dabei geht es um die Einhaltung von festgelegten Abbaumengen, die Standorte des Abbaus oder Sicherheitsstandards für die Angestellten. In letzter Zeit kommt es vermehrt zu sowohl unautorisiertem als auch unzugelassenem Sandabbau in Umweltreservaten, bei dem die dort lebenden Tierarten gefährdet werden. Besonders in Regionen, in denen wenige oder keine Vorschriften durch den Staat festgelegt sind, geraten Umwelt-, Arten- und Landschaftsschutz mit dem Abbau von Sand in Konflikt. Aber auch bei bestehender Regulierung besteht das Problem des illegalen Abbaus.

 

3. Aktuelles

Es gibt  viele Verträge, die sich mit dem Schutz der Umwelt befassen, wie zum Beispiel die Konvention für den Schutz natürlicher Ressourcen und der Umwelt in der Südpazifikregion von 1986. Der Sandabbau selbst wird in der Konvention nicht adressiert. Da es aber um Umweltschutz im allgemeinen geht und der Sandabbau diesen behindert, sollte der Sandabbau trotzdem beachtet werden.
Auch die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Englisch: Sustainable Development Goals, SDGs), welche sich die Vereinten Nationen am 21. Oktober 2015 setzten, beinhalten als Punkt 12, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherzustellen. Aus diesen Zielen ergibt sich die Notwendigkeit, auch für die Ressource Sand nachhaltigen Verbrauch und Abbau zu verwirklichen. 

Um die wissenschaftlichen Errungenschaften der letzten Jahre zu diskutieren und Handlungsempfehlungen zu erstellen, veranstaltete das UNEP zusammen mit der Global Resource Information Database in Genf, Schweiz, (GRID-Geneva) am 11. Oktober 2018 eine Konferenz mit führenden Expert*innen auf dem Gebiet. Als Zusammenfassung der Konferenz wurde ein Report veröffentlicht (Sand and sustainability: Finding new solutions for environmental governance of global sand resources). Die wichtigsten dort festgehaltenen Ergebnisse sind, dass weltweit mehr auf die Problematik um den Sandabbau aufmerksam gemacht werden muss. Außerdem wird gefordert, dass definiert wird, wie ein nachhaltiger Sandabbau ablaufen sollte, und dass die bereits erarbeiteten Lösungen, um nachhaltig mit Sand umzugehen, an alle Länder weitergegeben werden sollten. 

 

4. Probleme und Lösungsansätze

Um den Abbau von Sand zu organisieren und um die mit dem Abbau einhergehenden Probleme zu reduzieren, benötigt es eine Plattform, auf der Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft sich austauschen können. Obwohl einige Länder auf nationaler und regionaler Ebene eine Organisation des Sandabbaus betreiben, fehlt die internationale Vernetzung und somit auch der Wissensaustausch auf diesem Gebiet. Ein Beispiel für eine solche Plattform ist die Europäische Innovationspartnerschaft für Rohstoffe (Englisch: The European Innovation Partnership on Raw Materials, EIP). Ihr Ziel ist es, sowohl den Mitgliedstaaten als auch Firmen fundierte Ratschläge bezüglich innovativen Lösungen für Probleme im Bergbausektor zu geben. 

Der Mangel an Vernetzung liegt unter anderem daran, dass vielen Regierungen, Abbaufirmen und auch großen Teilen der Bevölkerung die Problematik nicht bewusst ist und sie an dem Glauben festhalten, dass Sand eine unendliche Ressource sei. Die Vorstellung von weiten Wüsten und der niedrige Preis von Sand als Baustoff haben dazu geführt, dass dieser oftmals mit einer zu geringen Beachtung der Umweltauswirkungen abgebaut wird. Darum ist es ein wichtiger Ansatz, für Informationen zu sorgen und das Wissen um die Folgen des Sandabbaus zu verbreiten.

Da in vielen Ländern keine oder nur ungenügende Gesetze zur Reglementierung von Sandabbau vorhanden sind, sollten zudem geeignete Gesetzesvorschläge und die Leistung von Hilfe beim Aufbau der für die Kontrolle nötigen Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Regelungen für den Sandabbau könnten an den bereits existierenden der Bergbauindustrie angelehnt werden und sollten beinhalten, dass Abbaugebiete nur dann zum Abbau zugelassen werden, wenn in ihnen keine größeren Umweltschäden zu erwarten sind. Außerdem sollten Abbaumengen und spätere Renaturierungsmaßnahmen benannt werden. In Großbritannien werden beispielsweise Steuern auf den Abbau von Sand erhoben, welche in die Entwicklung nachhaltiger Abbautechniken und in die Forschung um die Auswirkungen des Abbaus auf die Umwelt investiert werden.

Außerdem ergibt sich aus dem unüberwachten Abbau ein Mangel an Daten über Sandvorkommen, Sandentstehung und über seine Verteilung, wodurch die Auswirkungen des heutigen Abbaus nur auf Schätzungen beruhen. Auch der Verbleib des Sands nach dem Abbau ist schwer zu verfolgen und macht es teilweise unmöglich, Verantwortliche festzustellen. Damit in Zukunft bessere Abbaumethoden und -mengen festgelegt werden können, sollte in die Datensammlung und Forschung investiert werden.

Um dafür zu sorgen, dass eingeführte Regelungen von den Abbauunternehmen auch eingehalten werden und der illegale Sandabbau durch kriminelle Organisationen gestoppt wird, sollten möglichst alle beteiligten Parteien die Möglichkeit haben, sich an der Erstellung der Regelungen zu beteiligen. Gute Kommunikation kann auch dafür sorgen, dass wertvolles Wissen aller zusammengeführt werden kann; auch bei der Sammlung von Daten würde eine Kooperation aller helfen.

Ein weiterer Ansatz ist die Verminderung der benötigten Menge an Sand. Durch die steigende Urbanisierung und die Vernetzung der Städte werden immer mehr Baustoffe gebraucht, die Sand enthalten. Doch es gibt auch Alternativen wie das Recycling von Bauschutt oder die Produktion von Baustoffen, die weniger Sand enthalten, wie zum Beispiel Schaumbeton. Auch aus anderen Abfällen wie Flugasche aus Verbrennungsanlagen können Rohstoffe für Baustoffe gewonnen werden. Die Weiterentwicklung von Alternativen zu Sand kann dazu beitragen, dass weniger Sand abgebaut werden muss. Ein Beispiel ist hier die Bundesrepublik Deutschland, in der bereits 87% des anfallenden Schutts von abgerissenen Gebäuden oder ähnlichem recycled werden.

In einigen Regionen ist der illegale Sandabbau und Schmuggel ein großes Problem und führt zu verheerenden Schäden in geschützten Ökosystemen oder zum Abrutschen von Küsten oder flussnaher Infrastruktur. In Marokko werden laut dem UNEP jährlich 10 Millionen Kubikmeter Sand illegal von Stränden abgetragen – übrig bleiben häufig nur dünenlose Felsküsten. Die kriminellen Netzwerke bedrohen auch die Bevölkerung vor Ort. So wurden beispielsweise in Indien bereits Reporter*innen durch die organisierten illegalen Abbauunternehmen getötet, um sie an Berichten über die Schäden des Sandabbaus zu hindern. Um diese organisierte Kriminalität zu stoppen, könnten sich Beispiele an bereits vorhandenen Lösungen aus anderen Bereichen genommen werden, wie zum Beispiel dem Gold- oder Holzabbau.

 

5. Punkte zur Diskussion 

Wie kann eine effektive Organisation der internationalen Sandvorkommen und deren Abbau stattfinden? Wer sollte miteinbezogen werden und wie kann gegen kriminellen Abbaufirmen vorgegangen werden?

Wie kann das Bewusstsein für die Ressource Sand und für die damit verbundenen Umweltfolgen geschärft werden? Braucht es breit angelegte Informationskampagnen oder eher eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas?

Wie können nachhaltige Abbaumethoden gefördert und weltweit angewandt werden? Wer sollte die Umsetzung beaufsichtigen?

Wie kann die Nachfrage nach Sand weltweit reduziert werden? Gibt es Möglichkeiten, Recycling attraktiver oder Sandalternativen leichter zugänglich zu machen?

Wie kann der illegale Abbau von Sand gestoppt werden? Hilft eine Dokumentierung des Abbaugebiets, aus dem der Sand stammt, bei der Verfolgung von kriminellen Organisationen?

 

6. Lexikon

Aggregates: Englisch für Gesteinskörnung.

Gesteinskörnung: Als Gesteinskörnung werden im Bauwesen natürliche und künstliche Gesteinskörner bezeichnet. Gesteinskörnung wird zusammen mit einem Bindemittel (häufig Zement oder Kalk) und Zugabewasser zu Beton und Mörtel verarbeitet.

Ökosystem: Ein Ökosystem besteht aus einer Lebensgemeinschaft an Tieren, Pflanzen, Bakterien usw. in ihrem unbelebten Lebensraum.

Renaturierung: Die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen aus kultivierten und industriell genutzten Bodenoberflächen. 

SDGs: Die SDGs sind ein Zielkatalog mit Entwicklungszielen, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Sie sind von allen 193 Mitgliedsstaaten unterzeichnet worden.

 

7. Quellen und weiterführende Links 

UNEP, Sand and sustainability: Finding new solutions for environmental governance of global sand resources, Genf (Schweiz), Oktober 2019, https://wedocs.unep.org/handle/20.500.11822/28163 – Sehr umfassender Bericht über das Thema, der mit Studien belegt ist (Englisch).

Marian Blasberg und Malte Henk, Wie Gold am Meer, 28. August 2014, https://www.zeit.de/2014/34/strand-sand-verschwinden – Bericht über die Auswirkungen von verschwindenden Stränden (Deutsch).

UNEP, The search for sustainable sand extraction is beginning, 03. Januar 2019, https://www.unenvironment.org/news-and-stories/story/search-sustainable-sand-extraction-beginning – Bericht über das Treffen des UNEP in Genf am 11. Oktober 2018 mit kurzer Zusammenfassung des Berichts, der auf dem Treffen verfasst wurde (Englisch).

Die Welt verbraucht zu viel Sand, 07. Mai 2019, https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/warnung-der-uno-der-sand-wird-knapp-a-1266104-amp.html – Kurzer Artikel über den Bedarf an Sand und die daraus resultierenden Problematiken (Deutsch).

Gier nach Sand: Wenn die Strände schwinden, 07. Mai. 2019, https://www.br.de/themen/wissen/sand-rohstoff-abbau-straende-100.html – Kurzer Artikel über den Bedarf an Sand und die daraus resultierenden Problematiken (Deutsch).

UNEP, Sand rarer than one thinks, März 2014, http://na.unep.net/geas/archive/pdfs/GEAS_Mar2014_Sand_Mining.pdf – Bericht des UNEP ähnlich zu dem von 2019 aus dem Jahr 2014 (Englisch).

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