forum Privatisierung menschenrechtssichernder Infrastruktur

Einführung in das Thema

Einleitung

 

Ein Brunnen am Rande eines kleinen südamerikanischen Dorfs dient schon seit Generationen allen Bewohner*innen als einzige Wasserquelle. Eines Tages erhält ein Investor von der Regierung aus der entfernten Hauptstadt ein exklusives Nutzungsrecht am Brunnen. Er hat versprochen, den Brunnen weiter zu betreiben und sogar auszubauen, während die Zentralregierung die dafür benötigten Mittel nicht aufbringen kann. Wenige Monate später ist zwar die Pumpanlage modernisiert und mehr Wasser denn je wird gefördert. Weil der Investor alleine die Preise festlegen kann und einen üblichen Profit erwirtschaften möchte, erhöht er diese aber so weit, dass sich ein Teil des Dorfes das Wasser nicht mehr leisten kann.

 

Für lebenswichtige Güter wie eine ausreichende Wasserversorgung wird Infrastruktur benötigt, die wir im Globalen Norden oft als selbstverständlich voraussetzen. Wird wie im Beispiel der Zugang zu dieser Infrastruktur von öffentlicher oder privater Hand aber nicht gewährleistet, werden ärmere Teile der Bevölkerung oft existenziell bedroht und in ihren Menschenrechten verletzt. Vor diesem Hintergrund befasst sich der Wirtschafts- und Sozialrat (WiSo) mit der Privatisierung menschenrechtssichernder Infrastruktur.

 

Hintergrund und Grundsätzliches

 

Privatisierung meint Maßnahmen, die ein Staat ergreift, um vormals von ihm selbst wahrgenommene Aufgaben an privatwirtschaftliche Akteure zu übertragen. Es gibt verschiedene Formen von Privatisierung. Dazu zählen die

 

●      Formelle Privatisierung

Bei der formellen Privatisierung wird lediglich die Verantwortung für die Ausführung einer fest umrissenen Tätigkeit übertragen. Der Staat als Auftraggeber behält hier noch wesentliche direkte Steuerungs- und Führungsmöglichkeiten. Ein Beispiel aus Deutschland ist die Überführung der staatseigenen Deutschen Bundesbahn in die private Deutsche Bahn Aktiengesellschaft, über die der Staat als einziger Aktionär aber weiterhin viel Einfluss hat.

 

●      Funktionelle Privatisierung

Unter funktioneller Privatisierung werden verschiedene Kooperationsformen von Staat und privaten Akteur*innen zusammengefasst. Dabei profitiert der Staat z.B. von der Expertise oder den Produktionsmitteln des privaten Unternehmens, behält aber die Verantwortung für die Erfüllung der Aufgabe. Sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (engl. public-private partnerships, PPPs) können verschiedene Ausprägungen annehmen. In Projekten nach dem “Mietmodell” übernimmt ein privates Unternehmen z.B. die Kosten für die Planung, den Bau und die Wartung eines Gebäudes, das der Staat als Schulgebäude nutzt und dem Betreiber dafür eine laufende Nutzungsgebühr zahlt.

 

●      Materielle Privatisierung

Wird eine staatliche Aufgabe vollständig auf den privaten Sektor übertragen, spricht man von materieller Privatisierung. Der Staat zieht sich mit seinen Sach- und Personalressourcen zurück und gibt die Verantwortung für die Erfüllung der Aufgabe ab. Dann bestimmen private Unternehmen, gesteuert von den Prinzipien der Marktwirtschaft, auf welche Weise und in welchem Ausmaß diese Aufgabe erfüllt wird. Hier kann der Staat nur noch Einfluss nehmen, indem er den jeweiligen Markt gesetzlich reguliert.

 

Wenn der Staat Regeln abbaut, die den Wettbewerb beschränken, spricht man von Deregulierung. Diese wird in der Regeln nicht unter den Begriff Privatisierung gefasst.

 

Privatisierung hat als wirtschaftspolitisches Instrument das Ziel, die Staatsausgaben zu senken und gleichzeitig das Angebot für die Bevölkerung zu verbessern. Dies ist hochumstritten. Trotz der Vielfalt an verschiedenen Ausprägungen von formeller, funktioneller oder materieller Privatisierung lassen sich einige allgemeine Argumente ausmachen, die oft angeführt werden.

Befürworter*innen von Privatisierung argumentieren, dass der private Sektor effizienter, innovativer, flexibler und besser bei der Bereitstellung von Geldmitteln sei als der Staat, weil er marktwirtschaftlichen Prinzipien folgt. Außerdem könne durch Privatisierung und Deregulierung ein neuer Markt geöffnet werden, in dem Arbeitsplätze und Wachstumsmöglichkeiten für die Wirtschaft entstünden.

Kritiker*innen entgegnen, dass es in vielen Bereichen unvermeidlich zu Konflikten zwischen dem Versuch privater Akteur*innen, Geld zu verdienen, und dem öffentlichen Interesse komme. In der Gesundheitsversorgung kann es z.B. profitabler sein, zahlungsfähigen Kund*innen bessere und schneller Therapien anzubieten als ärmeren Bevölkerungsgruppen. Ein weiterer Einwand ist, dass die selbstregulierenden Marktmechanismen versagen würden, sobald ein Unternehmen ein Marktmonopol erreicht. Das gilt insbesondere in den Bereichen der Grundversorgung, z.B. in der Wasserversorgung und dem Schienenverkehr, die zu einem natürlichen Monopol neigen. Das eingangs dargelegte Beispiel lässt sich zum Teil auch auf ein solches Marktversagen zurückführen. Eine differenzierte Beurteilung der Chancen und Risiken eines Privatisierungsvorhabens lässt sich jedoch nur im Einzelfall vornehmen.

 

Die Privatisierung von Infrastruktur ist ein Thema von internationalem Interesse, weil Infrastruktur essentiell für unser aller Menschenrechte ist. Viele fundamentale Menschenrechte können nur verwirklicht werden, wenn zugleich der Zugang zu bestimmten Gütern und Leistungen gesichert ist.  Als Beispiele sind das Recht auf Gesundheit, das Recht auf medizinische Versorgung oder das Recht auf Bildung zu nennen, die im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (engl. International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, auch UN-Sozialpakt) festgeschrieben wurden. Für diese ist z.B. der Zugang zu sauberem Wasser beziehungsweise zu ausreichender Gesundheitsversorgung, Bildungseinrichtungen oder Transportmöglichkeiten unerlässlich. Solche menschenrechtssichernde Infrastruktur zu gewährleisten, ist deswegen die Kernaufgabe eines jeden Staates.

Die Anforderungen an eine solche Infrastruktur können in den sogenannten A4Q-Kriterien zusammengefasst werden (nach einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau): Menschenrechtssichernde Infrastruktur muss

●      available (in hinreichender Menge zur Verfügung stehen): Im einführenden Beispiel entspricht das einer ausreichenden Menge Wasser, um den Bedarf des Dorfs zu decken. Dieses Kriterium war dort erfüllt.

●      accessible (jede*r, der*die auf sie angewiesen ist, hat gleichen Zugang): Zum Beispiel darf ein Brunnen nicht so weit von einer Siedlung entfernt sein, dass ihn Menschen ohne Transportmöglichkeiten nicht erreichen können. Auch die Gender- und Generationengerechtigkeit sind hier zu beachten.

●      acceptable (sie ist sozial und kulturell akzeptabel): Dieses Kriterium kann zum Beispiel verletzt werden, wenn eine Schule in einem muslimisch-konservativ geprägten Umfeld Mädchen verbietet, ein Kopftuch zu tragen.

●      affordable (sie ist finanziell erschwinglich): Vor allem dieser Punkt ist im einführenden Beispiel verletzt, weil ärmere Bevölkerungsgruppen durch den Preis systematisch ausgeschlossen werden.

●      und von ausreichender Qualität sein. Im einführenden Beispiel: Das Wasser muss genießbar und gesund sein.

 

 

Aktuelles

 

Die verschiedenen Organe der Vereinten Nationen haben sich in der jüngeren Vergangenheit auf unterschiedliche Weise zur Privatisierung von Infrastruktur positioniert.

 

Während das Thema in den grundlegenden UN-Dokumenten der Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit kaum oder gar nicht erwähnt wird, positioniert sich die 2015 von der Generalversammlung verabschiedete Aktionsagenda von Addis Abeba (Englisch: Addis Ababa Action Agenda) grundsätzlich positiv zur Privatisierung. Die unterzeichnenden Staaten erklären, wie aus ihrer Sicht die Infrastruktur  von öffentlicher und privater Seite bereitgestellt werden kann, die notwendig ist, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) von 2015 zu erfüllen. Dabei werden ausdrücklich die Chancen von PPPs und privaten Investitionen in Infrastruktur hervorgehoben (siehe insbesondere Absätze 14, 36, 47 und 48 der Aktionsagenda).

 

Die Risiken von Privatisierung stellt der vielbeachtete Sozialbericht der UN von 2020 (World Social Report 2020: Inequality in a Rapidly Changing World) heraus. Demnach führt Privatisierung im Bildungssektor oft zu mehr Ungleichheit und im Wohnungsmarkt zu mehr Wohnungsunsicherheit und zur Verdrängung ärmerer Bevölkerungsteile.

Ausführlicher und sehr kritisch untersucht der UN-Sonderberichterstatter zu extremer Armut und Menschenrechten Philip Alston in seinem Abschlussbericht von 2018 die Rolle von Privatisierung bei der Förderung der Menschenrechte. Er kritisiert, dass Schlüsselfiguren der internationalen Gemeinschaft, inklusive Teile der UN, Maßnahmen der Privatisierung “aggressiv und ohne Rücksicht auf Belange der Menschenrechte” fördern würden. Dabei würden Schutzmechanismen für Menschenrechte im Zuge von Privatisierung oft systematisch beseitigt und von Armut betroffene Menschen noch weiter ausgegrenzt. Besonders kritisch betrachtet er die Rolle der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund, IMF) und der G20 bei der internationalen Förderung von Privatisierung, die von diesen Institutionen nur einseitig anhand ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen beurteilt würde. IMF und Weltbank hätten Privatisierungsmaßnahmen oft zur Bedingung für dringend benötigte wirtschaftliche Hilfen oder den Abbau von Handelsbeschränkungen gemacht. Weil die betroffenen Staaten gleichzeitig zum Sparen gezwungen wurden und deswegen Teile der Grundversorgung nicht mehr selbst gewährleisten konnten, hätten die Auflagen von IMF und Weltbank den Zugang zu menschenrechtssichernder Infrastruktur teilweise sogar verschlechtert.

 

Zwischen diesen beiden Positionen steht eine Studie des UN-Entwicklungsprogramms (United Nations Development Programme, UNDP) von 2006, in der die Frage untersucht wurde, ob die Privatisierung öffentlicher Dienste in Entwicklungsländern zur Erfüllung der Millennium-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs, das Vorgängerdokument der SDGs) beitragen kann. Die Studie nimmt viele kritische Punkte des Berichts von Philip Alston voraus, bemerkt jedoch auch, dass in Entwicklungsländern die Versorgung der armen Bevölkerung aufgrund mangelnder Ressourcen, schlechten Managements und sozialer Exklusion auch durch den Staat oft nicht gewährleistet wird. Indem man PPPs und Privatisierung einfach prinzipiell ablehnt, verbessert man den Zugang zu menschenrechtssichernder Infrastruktur also nicht, wenn man nicht gleichzeitig umfangreiche Hilfs- und Reformmaßnahmen für die betroffenen Staaten ergreift.

 

Verschiedene Akteur*innen der UN und nahestehender Organisationen wie die Weltbank haben zuletzt ausführliche Leitlinien ausgearbeitet und Konzepte entwickelt, wie die Interessen des öffentlichen und privaten Sektors zusammengebracht und potenzielle negative Folgen von Privatisierung verhindert werden können. So hat die UN-Kommission für internationales Handelsrecht umfangreiche Guides veröffentlicht, die bei der gesetzlichen Regulierung und juristischen Begleitung von Privatisierungsmaßnahmen unterstützen sollen. Speziell für PPPs gibt es seit Anfang 2020 zwei umfangreiche Leitfäden der Kommission für den richtigen Umgang der Gesetzgebung mit PPPs (s. Wichtige Dokumente). Die Weltbank hat mit ihrem PPP Legal Resource Center eine umfassende Informationsplattform zu PPPs eingerichtet und stellt dort Leitlinien, Strategien, Musterverträge und Informationen zu rechtlichen Rahmenbedingungen bereit.

 

 

Probleme und Lösungsansätze

 

So findet sich das Gremium in einem Dilemma wieder: Die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur führt offenbar nicht automatisch – und der Erfahrung nach selbst durch eine aufmerksame Kontrolle nicht verlässlich – dazu, die Kosten für den Staat und seine Bürger*innen zu reduzieren und gleichzeitig die Versorgung für die Bevölkerung zu verbessern. Gleichzeitig verfügen viele Staaten schlicht nicht über die finanziellen und personellen Ressourcen sowie die Expertise, um menschenrechtssichernde Infrastruktur selbst bereitzustellen. Daraus lassen sich im Wesentlichen zwei Schlussfolgerungen ziehen.

 

Entweder das Gremium spricht sich dafür aus, dass der Staat die Verantwortung für bestimmte Bereiche der öffentlichen Infrastruktur prinzipiell nicht abgeben sollte. Viele Staaten können die nötige Infrastruktur in diesen Bereichen momentan nicht selbst bereitstellen. Dort müssen Alternativen vorgeschlagen werden, wie die Staatengemeinschaft dazu beitragen kann, die (finanziellen, administrativen und technischen) Ressourcen zu mobilisieren. So können zum Beispiel multinationale und regionale Entwicklungsbanken bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten mit Krediten und Expertise unterstützen. Diese werden in der Regel an Bedingungen wie Verwaltungsreformen und konkrete Projektplanungen geknüpft. Ein beträchtlicher Teil der dafür verfügbaren Mittel wird jedoch regelmäßig nicht abgerufen. Denn diese Programme sind in den Zielländern oft unbekannt oder hohe formelle Anforderungen verhindern Projektbewerbungen.

 

Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Ressourcen, Fähigkeiten und Potenziale des privaten Sektors aktiv im Rahmen von Privatisierung zu nutzen, um menschenrechtssichernde Infrastruktur aufzubauen. Durch ausgefeilte Steuerungs-, Monitoring- und Regulationsmechanismen könnten die negativen Folgen für Staat und Bevölkerung verringert oder verhindert werden.

In Bereichen der Infrastruktur, die zu einem natürlichen Monopol neigen, können Staaten einem Marktversagen durch enge Regulierung entgegenwirken. Dazu zählen zum Beispiel die Festlegung eines Höchstpreises oder die Aufteilung von Produktion, Vertrieb und Transport der Güter auf verschiedene Unternehmen. Das Marktversagen bei der Wasserversorgung im einführenden Beispiel könnte durch entsprechende Regulierung unter Umständen verhindert werden.

Eine menschenrechtsbasierte Regulierung und eine enge Kontrolle bieten sich beispielsweise auch bei privaten Krankenhäusern oder Schulen an, die sich in einem Interessenkonflikt zwischen dem Profitanreiz und einem gleichen Zugang für alle befinden können. Problematisch bei der Regulierungs-Lösung könnte sein, dass Staaten, die die nötige Infrastruktur alleine nicht zur Verfügung stellen können, oft ebenfalls nicht über die benötigten administrativen Kapazitäten zur Regulierung und Überwachung verfügen.

Außerdem besteht die Gefahr, dass die Bedingungen, die internationale Organisationen wie IMF und Weltbank an die Förderung oder die Zusammenarbeit knüpfen, zu einer Verschlechterung des allgemeinen Zugangs zu menschenrechtssichernder Infrastruktur führen.

Zu diskutieren ist außerdem, ob sich der Staat nur in solchen Bereichen engagieren sollte, in denen kein privates Unternehmen tätig sein möchte. Wie Philip Alston bemerkt, würde dies dazu führen, dass der Staat nur die unwirtschaftlichen Bereiche der Versorgung und damit die Ausgaben übernimmt, während der Profit aus den wirtschaftlichen Bereichen in private Kassen fließt.

Besondere Rücksicht auf die Belange ärmerer Bevölkerungsgruppen nehmen sog. “Pro-Poor-PPPs”, über die die Weltbank auf ihrer Website informiert. Dabei könnten Privatisierungsvorhaben durch einen sog. multi stakeholder-Ansatz, also die Beteiligung aller betroffenen Gruppen an Entscheidungen und der Gestaltung, den vielfältigen Voraussetzungen vor Ort angepasst werden.

Darüber hinaus gibt es zwar umfangreiche Untersuchungen und Informationsmaterialien zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Privatisierung, aber, wie Philip Alston in seinem Bericht bemängelt, nur wenige systematische Untersuchungen zur Auswirkung von Privatisierung auf Menschenrechte. Um eine bessere Entscheidungsgrundlage zu schaffen, sollten die Menschenrechte in solchen Untersuchungen standardmäßig stärker berücksichtigt werden.

 

Punkte zur Diskussion

 

●      Gibt es Bereiche der öffentlichen Infrastruktur, die in der Verantwortung des Staates bleiben sollten? Gibt es andererseits Bereiche, die ein Staat unbedingt privatisieren sollte?

●      Sollten Staaten in diesen Bereichen trotzdem in bestimmtem Maße Kooperationen mit privaten Akteur*innen eingehen (im Sinne formeller oder funktioneller Privatisierung) und was gilt es dabei ggf. zu beachten?

●      Wie können in Infrastrukturbereichen, die zu natürlichen Monopolen neigen, die Rechte von verwundbaren Teilen der Bevölkerung geschützt werden?

●      Wie können die UN Staaten, die die menschenrechtssichernde Versorgung zurzeit in Teilen nicht sicherstellen können, unterstützen und welche Rolle sollten private Akteur*innen dabei spielen? (Wie) kann und sollte dafür die internationale Zusammenarbeit etwa in Form von Wissenstransfers ausgebaut werden?

●      (Wie) können internationale Entwicklungsbanken und Institutionen wie die Weltbank und der IMF helfen, den Zugang zu menschenrechtssichernder Infrastruktur zu verbessern? Welche Fehler wurden in der Vergangenheit begangen? Wie kann verhindert werden, dass sich diese wiederholen?

●      Welche Aspekte der Privatisierung sollten ggf. genauer wissenschaftlich untersucht werden?

 

 

Lexikon

 

Effizienz: Ein effizientes System oder Unternehmen bringt mit wenig Ressourcen einen großen Ertrag hervor.

 

G20 (kurz für “Gruppe der Zwanzig”): Ein 1999 gegründetes informelles Forum aus den 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern und der Europäischen Union, das sich zur Koordination und Kooperation in Bereichen der Wirtschafts- und Finanzpolitik trifft, aber auch in anderen globalen Themen wie Migration, Terrorismus oder Klimaschutz berät.

 

Gendergerechtigkeit: Gleichberechtigung aller biologischen und sozialen Geschlechter. Wenn nur Jungen der Besuch einer Schule erlaubt ist, ist der Anspruch der Gendergerechtigkeit verletzt.

 

Generationengerechtigkeit: Berücksichtigung der Interessen aller lebenden und kommenden Generationen. Wenn zum Beispiel ökologisch nicht nachhaltig gewirtschaftet wird, handelt die aktuelle Generation auf Kosten der kommenden, die in ihren Möglichkeiten und in ihrer Lebensqualität eingeschränkt wird.

 

Globaler Norden/Süden: Der Begriff des Globalen Nordens bezeichnet die Gruppe der reichen industrialisierten Staaten und lehnt sich daran an, dass die meisten von ihnen auf der Nordhalbkugel liegen. Im Gegensatz dazu steht der Globale Süden. Die Begriffe wurden als neutrale Alternative zu den wertenden Bezeichnungen “Entwicklungs- und Industrieländer” oder “1.” bis “3. Welt” eingeführt.

 

Innovativ: Ein innovatives Unternehmen ist kreativ und schafft sich durch neuartige Ideen einen Wettbewerbsvorteil.

 

Internationaler Währungsfonds (IMF): Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die rechtlich, organisatorisch und finanziell unabhängig ist. Ihre Hauptaufgabe ist es, Ländern in Zahlungsschwierigkeiten durch Kredite eine Stabilisierung ihrer Finanzlage zu ermöglichen. Darüber hinaus hat sie mit ihrer Schwesterorganisation, der Weltbank, zum Ziel, den Welthandel auszuweiten und die Zusammenarbeit in der Währungspolitik zu fördern.

 

Menschenrechte: Alle Menschen besitzen unveräußerliche Rechte, die nur in ihrer Gesamtheit verwirklicht werden können und ihnen schlicht aufgrund ihres Menschseins zukommen. Die (rechtlich nicht bindende) Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) der Vereinten Nationen von 1948 bildet die Grundlage für die internationale Menschenrechtsagenda und wurde durch weitere rechtsverbindliche Abkommen wie die UN-Sozial- und Zivilpakte ergänzt.

 

Monopol: Wird der Markt von nur einem*r Akteur*in dominiert, spricht man von einem Monopol. Eine Gefahr von Monopolen ist, dass durch sie selbstregulierende Marktmechanismen ausgehebelt werden können. Es gibt bestimmte Wirtschaftsbereiche, in denen es insgesamt am wirtschaftlichsten ist, wenn dort nur ein Unternehmen tätig ist, weil mehrere Unternehmen sich die gleiche eigene grundlegende Infrastruktur aufbauen müssten. Solche Bereiche, wie etwa die Wasser- und Stromwirtschaft oder der Schienenverkehr, neigen zu einem natürlichen Monopol.

 

Prinzipien der Marktwirtschaft: Im Modell einer freien Marktwirtschaft handeln Marktakteur*innen so, dass sie ihren Nutzen, bzw. direkter, ihren Gewinn maximieren. Dadurch wirken bestimmte Mechanismen: Zum Beispiel das Prinzip von Angebot und Nachfrage oder der Konkurrenzdruck, der Akteur*innen zur Effizienz zwingt. Idealerweise wirken diese Mechanismen selbstregulierend, sodass der Markt sich selbst stabilisiert bzw. optimiert. Wenn diese Mechanismen nicht funktionieren oder nicht ausreichen, um größere wirtschaftliche, soziale oder ökologische Schäden zu verhindern, spricht man allg. von Marktversagen.

 

Produktionsmittel: Alle bei der Produktion von Gütern erforderlichen Gegenstände wie Gebäude, Maschinen, Anlagen, Werkzeuge, Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe.

 

Selbstregulierende Marktmechanismen: s. Prinzipien der Marktwirtschaft

 

UN-Sonderberichterstatter*in: Dieser Titel wird an Personen verliehen, die im Auftrag der UN ehrenamtlich ein Thema, mit dem sich der Menschenrechtsrat befasst, untersuchen, überwachen, beraten und öffentlich darüber berichten.

 

Weltbank: Entwicklungsbank, die auf der ganzen Welt tätig ist und in Abgrenzung zum IMF Finanzierungsinstrumente für langfristige Entwicklungs- und Aufbauprojekte von Unternehmen bereitstellt, während der IMF vor allem auf die Finanzwirtschaft wie Banken und Währungsinstitute einwirkt. Beide Organisationen haben als gemeinsames Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung von weniger entwickelten Mitgliedstaaten durch finanzielle Hilfen, Beratung sowie technische Hilfe zu fördern und so zur Umsetzung der internationalen Entwicklungsziele beizutragen.

 

Wohnungsunsicherheit: Wenn Menschen durch den Verlust ihrer Wohnung oder sogar Obdachlosigkeit bedroht sind, weil sie die Miete nicht bezahlen können oder aufgrund anderer Eigenschaften diskriminiert werden.

 

 

Wichtige Dokumente

 

Aktionsagenda von Addis Abeba (engl. Addis Ababa Action Agenda of the Third International Conference on Financing for Development) (A/RES/69/313), 2015, https://www.un.org/Depts/german//gv-69/band3/ar69313.pdf (deutsch).

 

Report of the Special Rapporteur on extreme poverty and human rights Philip Alston (A/73/396), 2018, http://undocs.org/A/73/396 (englisch) - empfehlenswert zu lesen sind insbesondere Absatz 14 f. (zur Rolle der UN) und Absätze 50-80 (zu möglichen Strategien zum Umgang mit Privatisierung) sowie ggf. die Zusammenfassung (81-87).

 

UN-Sozialbericht (World Social Report) 2020 (insb. S. 39, 45), 2020, https://www.un.org/development/desa/dspd/wp-content/uploads/sites/22/2020/01/World-Social-Report-2020-FullReport.pdf (englisch).

 

“UNCITRAL Model Legislative Provisions on Public-Private Partnerships”, UN Kommission für internationales Handelsrecht (engl. United Nations Commission on Trade Law, UNCITRAL), 2020, https://uncitral.un.org/sites/uncitral.un.org/files/media-documents/uncitral/en/19-11011_ebook_final.pdf (englisch).

 

“UNCITRAL  Legislative Guide on  Public-Private Partnerships”, UNCITRAL, 2020, https://uncitral.un.org/sites/uncitral.un.org/files/media-documents/uncitral/en/19-10872_ebook_final.pdf (englisch).

 

 

Quellenangaben und weiterführende Links

 

Andrea Kämpf (Deutsches Institut für Menschenrechte), Dr Léonie Jana Wagner-Purpura (KfW KfW Development Research), “Development in Brief: Human rights and infrastructure”, 2018, https://www.kfw-entwicklungsbank.de/PDF/Download-Center/PDF-Dokumente-Development-Research/2018-12-10_EK_-Menschenrechte-und-Infrastruktur_EN.pdf - sehr kompakter Überblick über die Verbindung von Menschenrechten und Infrastruktur aus internationaler Perspektive (englisch).

 

KommunalWiki der Heinrich-Böll-Stiftung: “Privatisierung”, zuletzt bearbeitet am 27. September 2020,  https://kommunalwiki.boell.de/index.php/Privatisierung - Überblick über den Begriff der Privatisierung mit Schwerpunkt auf Deutschland (deutsch).

 

F. Pedró, G. Leroux und M. Watanabe (UNESCO): “The  privatization  of  education  in  developing  countries.  Evidence  and  policy  implications”, 2015, https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000243824 - UNESCO-Metastudie über Privatisierung von Bildung in Entwicklungsländern (englisch).

 

Kate Bliss und Tim Kessler (für das UNDP Poverty Centre), “Can Privatization and Commercialisation of Public Services Help Achieve the MDGs?”, 2006, https://www.undp.org/content/undp/en/home/librarypage/mdg/can-privatization-and-commercialisation-of-public-services-help-achieve-the-mdgs1.html - ausführliche Analyse der Chancen, Risiken und tatsächlichen Auswirkungen von Privatisierung auf die Verwirklichung der Millenium-Entwicklungsziele, was in allgemeinen Zügen auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung übertragen werden kann (englisch).

 

Weltbank, “Key issues in PPP for the poor”, 2019, https://ppp.worldbank.org/public-private-partnership/key-issues-ppps-poor - tabellarische Übersicht über die Herausforderungen bei PPPs mit Blick auf die Beteiligung ärmerer Bevölkerungsgruppen (englisch).

 

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