forum Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen in der Konfliktprävention

Einführung in das Thema

Kurzzusammenfassung

Eine wichtige Aufgabe der Vereinten Nationen ist die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Es ist häufig nicht nur einfacher, einen Konflikt von vornherein zu verhindern sondern vermeidet auch großes Leid, wenn ein Konflikt gar nicht erst entsteht oder eskaliert. Genau hier kommt die Konfliktprävention ins Spiel.

Obwohl inzwischen hinreichend bekannt ist, dass durch lokal geleitete Konfliktprävention nicht nur bessere sondern auch nachhaltigere Ergebnisse erzielt werden können, werden lokale Initiativen häufig übergangen oder nur als Helfer*innen beim Ausführen von Maßnahmen genutzt, welche durch internationale Spezialist*innen geplant wurden. Nur ein Bruchteil der Investitionen in die Konfliktprävention fließen in lokal geleitete Projekte. Probleme lokaler Projekte sind vor allem Schwierigkeiten, finanzielle Mittel zu beantragen, Verwendungszwecke sind stark an beeinflussende Auflagen geknüpft oder Förderungszeiträume zu kurz gewählt.

Um diese Probleme anzugehen, muss in der internationalen Konfliktprävention ein Umdenken stattfinden. Weg von der durch die Vereinten Nationen erbrachten Expertise und Hilfe in den Konfliktregionen hin zur Finanzierung von lokal geleiteten Initiativen, welche selber am besten wissen, welche Maßnahmen in ihrer Region die größte Wirkung haben werden. Außerdem braucht es eine Umstrukturierung der Bürokratie der Organe der Konfliktprävention der Vereinten Nationen, weg von einzelnen großen Fonds hin zu personalaufwändigeren, individuell vergebenen kleinen Fonds.

Punkte zur Diskussion

-        Sollten lokal geleitete Initiativen, international anerkannten Expert*innengruppen in der Konfliktprävention vorgezogen werden und diese, zu Lasten eines höheren organisatorischen Aufwandes, individuell Gelder zur Verfügung gestellt bekommen?

-        Wie können Hilfsgelder lokalen Initiativen der Konfliktprävention besser zugänglich gemacht werden ohne dass diese missbräuchlich verwendet werden?

-        Welche Umstrukturierungsmaßnahmen können zum Wandel der Konfliktprävention von international geführter Hilfe hin zu lokal geführter Hilfe beitragen?

-        Wie kann der Einfluss der Geber*innen von Hilfsgeldern an internationale Fonds auf deren Verwendungszweck reduziert werden, um eine freie Entfaltung lokaler Initiativen zu ermöglichen?

-        Wie kann eine möglichst zuverlässige und langfristig planbare Unterstützung von lokalen Initiativen erreicht werden?

-        Wie können die Kapazitäten von INGOs so genutzt werden, dass diese lokal geleitete Initiativen nicht verhindern sondern stärken?

Einleitung

Eine wichtige Aufgabe der Vereinten Nationen ist die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Meist rückt dieses Thema in den Fokus der Weltöffentlichkeit, wenn Konflikte ausbrechen oder eskaliert sind. Doch es muss nicht immer erst beim Ausbruch eines Konflikt eingegriffen werden. Es ist häufig nicht nur einfacher einen Konflikt von vorneherein zu verhindern, sondern vermeidet auch großes Leid, wenn ein Konflikt gar nicht erst entsteht oder eskaliert. Genau hier kommt die Konfliktprävention ins Spiel. Um in der Konfliktprävention erfolgreich zu sein, bieten lokale Akteur*innen ein großes Potential: Sie sind in engem Kontakt mit der lokalen Bevölkerung,können aufkommende Konflikte oft früher erkennen und kennen bessere Wege zur Schlichtung als internationale Akteure.

Hintergrund und Grundsätzliches

Mit der “Agenda für den Frieden”, welche 1992 vom Sicherheitsrat verabschiedet wurde, wurde Krisen- und Konfliktprävention zu einem fest etablierten Ansatz der internationalen Politik. In dieser Agenda wird der Begriff der “Vorbeugenden Diplomatie” definiert: “Vorbeugende Diplomatie bezeichnet Maßnahmen mit dem Ziel, das Entstehen von Streitigkeiten zwischen einzelnen Parteien zu verhüten, die Eskalation bestehender Streitigkeiten zu Konflikten zu verhindern und, sofern es dazu kommen sollte, diese einzugrenzen.” (Agenda für den Frieden, Ziffer 20).

Doch diese Maßnahmen können nicht alleine durch eine internationale Organisation durchgeführt werden, sondern benötigen regionale und lokale Akteur*innen wie Staaten, lokale Organisationen und Initiativen. Häufig fehlt es diesen lokalen Akteur*innen jedoch an Einfluss, Geld, Personal und Strukturen, um eine große Wirkung zu haben und das Ausbrechen oder die Eskalation von Konflikten zu verhindern. Genau da können allerdings die Vereinten Nationen unterstützen und so durch eine Kombination aus lokaler Expertise und internationalen Mitteln und Einfluss zur effektiven Krisen- und Konfliktprävention beitragen.

Aktuelles

Krisen- und Konfliktprävention ist seit der Verabschiedung der "Agenda für den Frieden" von einer Forderung der Friedens- und Konfliktforschung zu einem fest etablierten Ansatz der internationalen Politik geworden. Darauf folgten:

●       die Gründung der Kommission für Friedenskonsolidierung (UN Peacebuilding Commission) (2005)

●       die Vereinbarung über die Verantwortung der nationalen Regierungen für den Schutz ihrer Bürger vor systematischen Menschenrechtsverletzungen und die Pflicht der internationalen Gemeinschaft zu intervenieren, wenn Regierungen diese Verantwortung nicht wahrnehmen ("Schutzverantwortung" eng. “Responsibility to Protect”) (2005)

●       die Schaffung des UN-Demokratiefonds (UN Democracy Fund – UNEF) (2005)

●       und diverse Erklärungen der Mitgliedsländer, deutlich mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit, als eines der wirksamsten Instrumente der Krisen- und Konfliktprävention, auszugeben.

Doch diesen politischen Absichtserklärungen folgten zu wenig effektive Taten. Seit Mitte der 2000er Jahre rückte das Thema "Prävention" wieder in den Hintergrund und das Thema “Krisenbewältigung” in den Vordergrund. Durch eine massive Zunahme innerstaatlicher Konflikte seit Mitte der 2010er Jahre ist das Thema heute zurück auf der internationalen Agenda.

Im Jahre 2014 startete die UN eine Überprüfung ihrer Strategie und ihres Instrumentariums in den Bereichen Konfliktprävention, Friedenssicherung und Friedensförderung. Dies führte zur im Mai 2016 verabschiedeten Resolution "Überprüfung der Architektur der Friedenskonsolidierung" (UN-Vollversammlung 2016). Die "Aufrechterhaltung des Friedens" wird in dieser als zentrales Anliegen der internationalen Staatengemeinschaft formuliert.

 

Die in dieser Resolution aufgeführten Maßnahmen betonen die Relevanz der Bearbeitung der tieferen Ursachen von Konflikten und der Stärkung von Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene. Dabei werden verschiedene konkrete Maßnahmen genannt, über die Förderung eines dauerhaften und nachhaltigen Wirtschaftswachstums, Armutsbeseitigung, soziale und nachhaltige Entwicklung bis hin zur nationalen Aussöhnung. Weitere Schwerpunkte sind der Zugang zu Justiz und Unrechtsaufarbeitung, gute Regierungsführung, Demokratie und rechenschaftspflichtige Institutionen, Gleichstellung der Geschlechter sowie Achtung und Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

 

Anfang 2018 brachte die Weltbank gemeinsam mit der UN eine umfassende Studie heraus “Pathways for Peace”, welche einen umfangreichen Katalog von Empfehlungen formuliert (UNO/Weltbank 2018). Darin wird unter anderem festgestellt, dass die Vereinten Nationen ihren Fokus in der Konfliktprävention auf die verstärkte Einbindung und Unterstützung lokaler und regionaler Organisationen legen sollten. Diese hätten eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung und eine durch sie geleiteter Schlichtungsprozess würde die lokalen Strukturen stärken, anstatt sie durch Eingreifen einer internationalen Organisation zu untergraben.

In den heutzutage lange währenden, hoch komplexen Konflikten führt ein inklusiver Ansatz mit der Einbindung lokaler Initiativen für Frieden, Minderheiten und Regierungen, zu einem Verständnis der verschiedenen Akteur*innen untereinander. Es ist von besonderer Wichtigkeit, dass die lokale Bevölkerung Vertrauen in ihre Institutionen fasst, mit Selbstvertrauen die Zukunft ihrer Region gestalten kann und das Gefühl von Exklusion und Ungerechtigkeit abgebaut wird.

Probleme und Lösungsansätze

Obwohl inzwischen hinreichend bekannt ist, dass durch lokal geleitete Konfliktprävention nicht nur bessere sondern auch nachhaltigere Ergebnisse erzielt werden können, werden lokale Aktivist*innen häufig übergangen oder nur als Helfer*innen beim Ausführen von Maßnahmen genutzt, welche durch internationale Spezialist*innen geplant wurden.

Doch warum werden lokale Akteur*innen mit ihrem wertvollen und spezifischen Wissen über lokale Bedürfnisse und Nöte nicht stärker gefördert? Nur ein Bruchteil der Investitionen in die Konfliktprävention fließen in lokal geleitete Projekte, und deren Anteil ist insgesamt sogar abnehmend.

 

Dies liegt unter anderem daran, dass lokale Initiativen häufig mit Hürden bei der Beantragung von finanziellen Mitteln zu kämpfen haben, welche von ihnen nur schwer umgangen werden können. Dies können bspw. ein in einer Fremdsprache geforderter Antrag oder ein komplexer bürokratischer Weg sein. Dadurch werden Gelder aus großen Hilfsfonds eher an leicht zu erreichende größere Organisationen wie international agierende Nichtregierungsorganisationen (International Non-Governmental Organisations INGOs) vergeben. Diese INGOs sorgen dafür, dass die Mittel gemäß ihren eigenen Konzepten verwendet werden. Zwar werden die Mittel auch an lokale Initiativen weitergeleitet, meist können diese aber nur als Leistungserbringer*innen agieren und nicht als selbstbestimmte Initiative einer lokalen Gemeinschaft. Diese Tendenz wird weiter dadurch angekurbelt, dass es verwaltungstechnisch aufwändiger ist, viele kleine Fonds zu beaufsichtigen als einige wenige große, welche an bekannte zuverlässige international agierende Organisationen vergeben werden. Das momentane System der Vereinten Nationen ist nicht primär auf diese Art kleinteiliger Hilfe ausgelegt.

 

Viele der an lokale Initiativen gerichteten Unterstützungsgelder sind außerdem mit einer sehr kurzen Laufzeit versehen und reichen nur für eine kurzfristige Besserung der Situation aus. Langfristige, nachhaltige Projekte gehen häufig leer aus oder stehen irgendwann ohne Finanzierung da. Dies geschieht auch, weil die Finanzierung häufig an Auflagen gebunden ist, welche stark durch schwankende politische und ökonomische Interessen der Geber*innen bestimmt werden. Dadurch können Gelder nicht frei verwendet werden und es wird von den Geber*innen “von oben herab” gesteuert, welche Maßnahmen zum Einsatz kommen dürfen. Dies verhindert nicht nur gegenseitiges Lernen der Partner*innen voneinander, sondern auch den selbstbestimmten zuverlässigen Aufbau des Friedensprozesses.

 

Um diese Probleme anzugehen, muss in der internationalen Konfliktprävention ein Umdenken stattfinden. Weg von der von oben durch internationale Organisationen erbrachten Expertise und Hilfe in den Konfliktregionen hin zur Finanzierung von lokal geleiteten Initiativen, welche selber am besten wissen, welche Maßnahmen in ihrer Region den größten Ausschlag haben werden.

Dafür braucht es kleinere Fonds, welche direkt und einfach durch lokale zivilgesellschaftliche Initiativen beantragt werden können. Diese Mittel sollten außerdem langfristig und zuverlässig unabhängig von den Wünschen der Geberländer und privaten Geber gezahlt werden.

 

Es muss sich von dem Gefühl, international angeeignete Expertise sei mehr wert als lokales Wissen, entfernt werden. Friedensbildende Maßnahmen sollen von der Gemeinschaft vor Ort entwickelt und umgesetzt werden.

 

Dieses Umdenken muss nicht nur auf der Ebene der Vereinten Nationen stattfinden, sondern auch bei den INGOs. Strukturen, welche lokale Entwicklungen hemmen und auf imperative Weise versuchen Hilfe zu leisten sollten verändert werden, hinzu Strukturen die lokale Expertise, Kultur und Eigeninitiative fördert.

 

Hinweise zur Recherche

Ihre Recherche für die Positionspapiere beginnen Sie am besten damit, sich über die bestehenden und drohenden Konflikte in Ihrem Land zu informieren. Wenn Sie ein Land vertreten, das anderen Staaten Geld im Rahmen von Konfliktpräventions- oder Sicherheits-Projekten gibt, informieren Sie sich über diese Ansätze. Versuchen Sie in beiden Fällen Details dazu zu finden, ob lokale Akteur*innen besondere Beachtung in den Projekten fanden. Eine gute englischsprachige Quelle für journalistische Artikel ist das Nachrichtenportal AlJazeera. Über aktuelle Konflikte können Sie sich auf der Webseite des deutschen Auswärtigen Amts informieren. Dort finden Sie auch weitere Infos und Artikel zu Ihrem Land.

Weiterhin bietet es sich für Sie an, die Agenda für den Frieden in ihren Grundzügen zu kennen.

Lexikon

-        KFK

-        Die Kommission für Friedenskonsolidierung (KFK oder englisch Peacebuilding Commission) berät den Sicherheitsrat und die Generalversammlung in Fragen des Schaffens von Frieden nach Konflikten.

-        (Konflikt-)Prävention

-        Vorbeugung oder Verhinderung von Konflikten, bevor sie überhaupt auftreten

-        Krisenbewältigung

-        In der Abgrenzung zu Prävention: Bewältigung von Konflikten oder Krisen, wenn sie bereits entstanden sind.

-        inklusiv

-        Alle verschiedenen Stimmen und Bevölkerungsgruppen einbeziehend.

Quellenangaben und weiterführende Links

●       Die Seite der Bundeszentrale für politische Bildung für Krisen- und Gewaltprävention https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54728/praevention

●       Ausführlicher Bericht der Robert Bosch Stiftung über lokal geführte Friedensbildungsprozesse (Englisch) https://www.bosch-stiftung.de/sites/default/files/publications/pdf/2021-04/CSP%20Report-%20A%20Global%20System%20in%20Flux%20-%20Pursuing%20Systems%20Change%20for%20Locally-Led%20Peacebuilding.pdf

●       Pathways for Peace : Inclusive Approaches to Preventing Violent Conflict (Englisch)https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/28337

●       Agenda für den Frieden auf deutsch: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/UNO/agenda.html und auf englisch: http://www.un-documents.net/a47-277.htm

●       Zeitschrift Vereinte Nationen: Die Vereinten Nationen und präventive Diplomatie https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_2014/Heft_1_2014/02_Kugel_Kane_VN_1-14_5-2-2014.pdf

●       Bundeszentrale für politische Bildung: Gibt es eine "Responsibility to Protect"? https://www.bpb.de/apuz/30862/gibt-es-eine-responsibility-to-protect?p=all

●       Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen: Die UN und der stabile Frieden – was hat es mit „Sustaining Peace“ auf sich? https://dgvn.de/meldung/die-un-und-der-stabile-frieden-was-hat-es-mit-sustaining-peace-auf-sich/

●       Bundeszentrale für politische Bildung: Zivile Konfliktbearbeitung in ethnopolitischen Konflikten https://www.bpb.de/apuz/26281/zivile-konfliktbearbeitung-in-ethnopolitischen-konflikten?p=all

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