forum Situation in der Ukraine

Einführung in das Thema

Warnung: Dieser Text enthält Informationen zu Gewalttaten im Ukrainekonflikt und zu Atomwaffen. Bitte sei vorsichtig, wenn du sensibel auf diese Themen reagierst, und lies den Text nur, wenn du dich dazu in der Lage fühlst. Such dir Unterstützung, wenn du sie brauchst.

Kursiv geschriebene Wörter werden am Ende des Textes im Lexikon erklärt.

1. Kurzzusammenfassung

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine stellt die internationale Staatengemeinschaft vor ganz neue Herausforderungen: Der Kalte Krieg, zwischen der sogenannten westlichen Welt und den Sowjetrepubliken, galt als überwunden und eine Welt, die nicht mehr nur von Konfrontation und Abschreckung geprägt war, sondern von Annäherung und Freundschaft, schien zum Greifen nah. Der Ukraine-Krieg wirft uns in eine Zeit zurück, mit der die meisten in Europa und im Westen nicht mehr gerechnet hatten.

Die Aufgabe der Vereinten Nationen (United Nations, UN) ist es nun, die Ausweitung des Krieges zu verhindern und die internationale Ordnung zu wahren. Sie muss es schaffen, die ständige Gefahr durch Atomwaffen zu erkennen und Lösungen zu finden, diese Gefahren zu vermeiden.

Ganz grundsätzlich: Die UN hat die Aufgabe, die Weltgemeinschaft zusammenzuhalten. Sie muss Staaten, die ebenfalls von der Bedrohung eines anderen Staates betroffen sind, die nötige Sicherheit garantieren und dies muss durch praktische Maßnahmen geschehen.

Der 24. Februar 2022 ist ein Tag, der die UN dazu bewegen muss, Taten statt Worte spielen zu lassen, um so ihrer Rolle in der Welt gerecht zu werden.

2. Punkte zur Diskussion

  • Wie können Rüstungskontrollverträge mit Russland (bsp. New START) wiederbelebt werden?
  • Wie soll damit umgegangen werden, wenn ein Atomstaat einen Nicht-Atomstaat angreift?
  • Welche Reformen innerhalb des Systems der Vereinten Nationen sind notwendig, um ihre Handlungsfähigkeit in der Friedenssicherung zu stärken?
  • Wie soll mit der Bedrohung der Nutzung taktischer und strategischer Nuklearwaffen umgegangen werden?
  • Der Ukraine-Krieg treibt ein weltweites Wettrüsten voran. Wie kann trotzdem die generelle Abrüstung auf der Welt umgesetzt werden?

3. Einleitung

„Die Aussicht auf einen nuklearen Konflikt, einst undenkbar, ist jetzt wieder im Bereich des Möglichen“, sprach Antonio Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen am 14. März 2022.

Am 24. Februar 2022 überfiel die Russische Föderation ihren Nachbarstaat Ukraine. Damit begann ein brutaler konventioneller Angriffskrieg, der größte in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Vereinten Nationen müssen sich in diesem Zusammenhang nun vieler Aufgaben annehmen. Das Verhindern eines nuklearen Krieges, das Aufklären von Kriegsverbrechen, die Unterstützung von Menschen, die vor dem Krieg fliehen, sind nur ein paar dieser Aufgaben.

4. Hintergrund und Grundsätzliches

Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahr 1991 ist die Ukraine ein souveräner und eigenständiger Staat. Ihre politische Geschichte ist geprägt von einem Spannungsfeld zwischen einer Orientierung hin zum Westen und damit zur Europäischen Union (EU) sowie zur Organisation des Nordatlantikvertrags (North Atlantic Treaty Organization, NATO) und einer Ostorientierung und damit zu Russland. Prägende Ereignisse der Vergangenheit waren die sogenannte „Orangene Revolution”, angestoßen durch eine manipulierte Präsidentschafts-Stichwahl 2004, und die „Euromajdan”-Proteste 2013/14, welche auf dem zentralen Platz der ukrainischen Hauptstadt Kiew, dem „Majdan”, stattfanden. Die Forderungen waren, die Ukraine näher an den Westen zu binden. Die Majdan-Revolution erlangte große internationale Aufmerksamkeit. Vorausgegangen waren schlechte wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, die Unmut in der Bevölkerung hervorbrachten, ebenso ein von dem 2010 gewählten Präsidenten Janukowytsch angestrebtes, aber dann schließlich doch gestopptes Assoziierungsabkommen mit der EU. Aufgrund der zahlreichen Proteste im Anschluss trat die Regierung 2014 zurück und Janukowytsch floh nach Russland. Unter anderem auf der Krim gab es sowohl Demonstrationen für als auch gegen diesen Machtwechsel.

Russland sah die Westorientierung der Ukraine schon eine lange Zeit kritisch. Die Proteste auf dem Majdan sah Russland als vom Westen in die Wege geleitet, was allerdings eindeutig widerlegt wurde. In der Vergangenheit sicherte Russland durch verschiedene Verträge und Abkommen der Ukraine ihre territoriale Integrität und Unabhängigkeit zu. Von besonderer außenpolitischer Bedeutung war zum Beispiel das „Budapester Memorandum” aus dem Jahr 1994. Russland, aber auch die USA und Großbritannien verpflichteten sich unter anderem zur Einhaltung der territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit der Ukraine. Als Gegenleistung wurden die mehr als 2500 Atomraketen, welche die Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion „geerbt” hatte, alle an Russland zurückgegeben.

Das Einschreiten Russlands zeigte sich dann 2014 in Form der Annexion der im Schwarzen Meer liegenden ukrainischen Halbinsel Krim und der seither gezielten Destabilisierung der Ostukraine. Im Februar 2014 besetzten russische Spezialtruppen strategisch wichtige Punkte der Krim. Die Soldaten trugen Uniformen, aber keine Rang- und Hoheitszeichen, an denen man hätte erkennen können, dass es sich um russische Einheiten handelt. Sie kontrollierten bald offizielle Regierungsgebäude und hissten dort die russische Flagge. Das besetzte Regionalparlament wählte einen neuen Ministerpräsidenten von der Partei „Russische Einheit”. Anschließend wurde im März 2014 ein Referendum über eine Wiedervereinigung mit Russland durchgeführt. Wichtig zu betonen ist an dieser Stelle, dass das Referendum gegen ukrainisches sowie auch internationales Recht verstößt. Zwei Tage später unterzeichneten Putin und die Vertreter der Regionalregierung einen Vertrag zur Eingliederung der Krim in die Russische Föderation, womit Russland die Krim annektierte. Im Anschluss bat der neu eingesetzte Ministerpräsident den russischen Präsidenten Putin um militärische Unterstützung. Viele tausend Menschen flohen infolgedessen von der Halbinsel. In den Anfangsjahren der Sowjetunion, also ab 1922, hatte die Krim den Status einer Autonomen Sowjetrepublik. Unter Stalin stand die Krim unter russischer Verwaltung. Im Jahr 1954 vermachte der damalige Parteichef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) Nikita Chruschtschow die Krim der „Ukrainischen Sowjetrepublik”. Man geht davon aus, dass die Krim damals an die Ukraine geschenkt worden war, um die Verbundenheit der beiden Sowjetrepubliken zu zeigen. Da beide Staaten zu diesem Zeitpunkt Teil der Sowjetunion waren, änderte der Wechsel der Zugehörigkeit wenig. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 stimmten die Bewohner der Krim mit einer knappen Mehrheit für die Loslösung von der Sowjetunion. Ab diesem Zeitpunkt gehörte die Krim zur Ukraine. Rund 60 Prozent der dort lebenden Bevölkerung sind ethnische Russen.

Die strategische Relevanz der Halbinsel für Russland liegt darin, dass sie die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol, der Hauptstadt der Krim, beheimatet. Der Ablauf der geplanten Destabilisierung der Ostukraine war nebenbei in vollem Gange: Ebenfalls 2014 besetzten prorussische Separatist*innen zentrale Einrichtungen im Donbass. Donbass bezeichnet die Region rund um die Verwaltungsbezirke Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine. Ihre strategische Relevanz ist für Russland von hoher Bedeutung und durch den dort ansässigen Steinkohleabbau und die dortige Schwerindustrie begründet. Wenige Zeit später wurden die sogenannten „Volksrepubliken Luhansk” und „Donezk” von den prorussischen Separatisten ausgerufen und erneut nicht international anerkannte Referenden in den entsprechenden Gebieten durchgeführt. Ausschließlich Staaten wie Belarus, Syrien oder Nordkorea erkennen die vermeintlichen „Volksrepubliken” an. Zunächst schaffte es die ukrainische Armee die Separatisten erfolgreich zu bekämpfen, doch als sich deren Sieg abzeichnete, sendete der russische Präsident verdeckte Truppen in den Donbass.

Der 2014 frisch gewählte Präsident der Ukraine und Oligarch Poroschenko wollte eine diplomatische Lösung für den Krieg im Osten und setzte sich für die territoriale Integrität der Ukraine ein. Unter seiner Präsidentschaft nähert sich die Ukraine, durch die Unterzeichnung des zuvor gestoppten Assoziierungsabkommens, wieder der EU an. Dennoch scheitern die von ihm angestoßenen Friedensinitiativen, wie das Minsker-Abkommen, und auch die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern sich nicht. 2019 wurde Wolodymyr Selenskyj zum Präsidenten gewählt. Er forderte ein Ende des Konflikts und die Wiedereingliederung der Krim in die Ukraine. Durch Reformen näherte er sich weiter dem Westen an und erzielte Erfolge, beispielsweise durch das Verhandeln kurzer Waffenruhen im Donbas und Gefangenenaustausche.

Ab April 2021 beobachtete man verdächtige russische Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze. US-Präsident Biden warnte im Dezember desselben Jahres vor einem Angriff Russlands auf die Ukraine. Russland bestritt diese Vorwürfe und forderte von der NATO Sicherheitsgarantien und den Verzicht seitens der NATO auf eine Osterweiterung. Diese Forderungen wurden als nicht erfüllbar abgelehnt. Am 24. Februar 2022 begann der großflächige russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Seitdem ist klar: Das Ziel Russlands, die Ukraine in wenigen Tagen zu erobern, durch die Einnahme Kiews und den Sturz der ukrainischen Regierung, ist gescheitert. Das liegt zum einen an der internationalen Unterstützung, aber auch am Widerstand der ukrainischen Bevölkerung. Die Kampfhandlungen verlagerten sich daraufhin auf den Osten der Ukraine und beide Konfliktparteien können Erfolge erzielen. Die bis dahin unabhängigen „Volksrepubliken” wurden durch Scheinreferenden von Russland annektiert.

5. Aktuelles

Multilaterale sowie bilaterale Verträge, die vor dem Krieg mit Russland geschlossen wurden, sind seitens Russland durch den Überfall auf die Ukraine aufgekündigt oder gebrochen worden. Darunter fällt die NATO-Russland-Grundakte von 1997, die eine Unverletzlichkeit der Grenzen, sowie die freie Wahl von Bündnissen, in sich sicherstellen sollte. Zudem das Budapester Memorandum von 1994, das die territoriale und politische Unabhängigkeit der Ukraine gewährleisten sollte. Der russisch-ukrainische Freundschaftsvertrag (1997) und der russisch-ukrainische Grenzvertrag (2003) waren beides Abkommen, die die Ukraine als einen unabhängigen Staat manifestierten.

Die Rolle der Vereinten Nationen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist als ambivalent anzusehen: Zum einen wird durch das Verabschieden verschiedener Resolutionen in der Generalversammlung der UN, welche den russischen Angriffskrieg verurteilen, deutlich, dass eine große Mehrheit der Staaten die russische Aggression ächtet. Staaten wie Belarus, China, Nordkorea oder der Iran, von denen letztere beiden nachweislich Waffen an die russische Führung liefern, sind dabei die Ausnahme. Andererseits ist es Russland möglich, als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und das ihm damit zustehende Veto-Recht wichtige Entscheidungen im Gremium zu verhindern. So scheiterte am 25. Februar 2022 eine Resolution im Sicherheitsrat, die die russische Invasion verurteilten sollte, an Russland. Der UN-Sicherheitsrat hat laut UN-Charta die Hauptverantwortung für die Wahrung des internationalen Friedens und Sicherheit. Um diese Blockade zu umgehen, wurde am 27. Februar 2022 ein altes Verfahren aktiviert. Die Generalversammlung der UN tritt nach Kriegsbeginn im “Uniting for Peace-Format” zu einer Notstandssitzung zusammen. In dieser Sitzung verabschiedet sie die Resolution ES-11/1, die der zuvor im Sicherheitsrat gescheiterten Resolution sehr ähnelt. Darin verurteilt die Weltgemeinschaft den Angriff und fordert, die russischen Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen.

Die Generalversammlung hat zwar nicht die Möglichkeit, konkrete rechtsbindende Maßnahmen folgen zu lassen, ist aber dennoch von immenser Bedeutung, beispielsweise im Aufdecken der Verschleierung Russlands. Der Angriffskrieg ist keine „Spezialoperation”, wie es Russland häufig darstellt. Der Krieg ist ein klarer Bruch mit der UN-Charta. Anhand anderer Beispiele wird sichtbar, dass auch ohne konkrete Entscheidungen Falschaussagen der Regierung in Moskau aufgedeckt werden können. So weist die UN-Abrüstungsbeauftragte die Vorwürfe zurück, die Ukraine habe ein Biowaffenprogramm. Es gäbe schlichtweg keine Beweise dafür. Ebenso sieht der Internationale Gerichtshof keinen Beweis für den Vorwurf der russischen Seite für einen Genozid der russischen Bevölkerung auf ukrainischem Gebiet.

2022 werden noch weitere wichtige Entscheidungen der UN getroffen. Unter anderem wird Russlands Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat mit einer Mehrheit der Stimmen ausgesetzt. Auch wird im März eine zweite Resolution verabschiedet (ES-11/2), die auf die untragbare Situation der Zivilbevölkerung in der Ukraine aufmerksam macht, sowie die Verletzung des humanitären Völker- und Menschenrechts bei der Kriegsführung anprangert. Mit einer Resolution im November (ES-11/5) wird Russland dazu verpflichtet, für die Reparationskosten aufzukommen, die durch den Angriff entstanden sind.

Auch andere UN-Organe sind stets beschäftigt, die humanitäre Lage im Kriegs-, Grenz- und Nachbargebiet genau zu beobachten. Generalsekretär Guterres ruft im März 2022 zu einem „humanitären Waffenstillstand” auf und stellt die Forderung auf, die UN müsse humanitäre Hilfe leisten. In der UN gibt es dafür viele Organisationen und Ämter, die in den verschiedenen Bereichen ihren dringend benötigten Beitrag leisten können. So zum Beispiel das Welternährungsprogramm, die Weltgesundheitsorganisation, das UN-Kinderhilfswerk, das UN-Flüchtlingshilfswerk, das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der UN sowie das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, welche sich mit den UN-Organisationen und ihren Partnern abstimmt.

Um die Rolle der UN zu verstehen, ist eine Sache wichtig zu beachten: Die UN können den Krieg nicht beenden, aber sie können die Folgen lindern, Opfer schützen, vermitteln zwischen den Kriegsparteien und als Staatengemeinschaft ein Signal der Geschlossenheit senden.

6. Probleme und Lösungsansätze

Hinweis: Der Ausschuss für Abrüstung und internationale Sicherheit hat die Aufgabe, Resolutionen zu Themen der Abrüstung und damit verbundenen Sicherheitsfragen zu erarbeiten. Diese Resolutionen werden dann der Generalversammlung vorgelegt. Deshalb werden in diesem Gremium nicht alle Aspekte des Ukraine Krieges besprochen, sondern es wird sich auf einige wenige konzentriert.

Infolge des Angriffskrieges hat Russland viele internationale Verträge aufgekündigt und somit das Vertrauen in Russland bezüglich der Verlässlichkeit nachhaltig erschüttert. Der lange Zeit als großer Erfolg angepriesene „START”-Vertrag bzw. ab 2010 „New START” Vertrag, der 2021 von US-Präsident Biden und Russlands Präsident Putin sogar um weitere 5 Jahre verlängert wurde, war ein internationales Signal der weltweiten Abrüstung und Entspannung. Der Vertrag zwischen den USA und Russland sollte die Anzahl strategischer Waffen auf beiden Seiten verringern. Ebenso sollten gegenseitige Kontrollen stattfinden, die die Einhaltung der vertraglich festgelegten Obergrenzen feststellen sollten. Dazu gehörten Satelliten- und Fernüberwachung sowie durch 18 Inspektionen vor Ort pro Jahr. Im Februar 2023 setzte Putin überraschend die Beteiligung an dem Vertrag aus, wenn auch mit der Betonung, sich nicht vollends daraus zurückzuziehen. Die Aufgabe der UN ist es nun, sich zu überlegen, inwiefern es möglich ist, Rüstungskontrollverträge mit Russland, die aufgrunds des Krieges ausgesetzt worden sind, wiederzubeleben und so auch für eine Zeit nach dem Krieg die internationale Ordnung auch wieder vertraglich festzustellen.

Das Ziel der nuklearen Abrüstung liegt im Sinne beider Vertragspartner. Durch den “New-START”-Vertrag wurde nicht nur das Arsenal an strategischen Waffen von Russland begrenzt und kontrolliert, sondern auch das der USA. Es müssen nun auf internationaler Ebene Verhandlungen mit Russland in die Wege geleitet werden, die genau versuchen, diese Rüstungskontrollverträge wieder vertraglich festzuhalten. Dies scheint zwar in der Phase des Krieges extrem schwer erreichbar, aber es muss immer auch bedacht werden, dass es eine Zeit nach dem Krieg gibt, in der diese Abkommen wieder gelten müssen.

Ebenso hat der Ukraine-Krieg die Frage aufkommen lassen, wie damit umgegangen werden soll, wenn ein Atomstaat einen Nicht-Atomstaat angreift. Es ist selbstverständlich, dass auf unserer Welt nicht mehr das Recht des Stärkeren regieren darf, aber eine Situation, wie sie auch gerade im Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu sehen ist, ist dennoch schwer handhabbar. Der Angriff Russlands übermittelt im Gegenteil sogar gerade der Weltöffentlichkeit, dass das Recht des Stärkeren offenbar noch gilt. Inwiefern kann die UN es erreichen, diesem Bild entgegenzutreten und welche weiteren Maßnahmen müssen, auch auf die Zukunft gesehen, dafür getroffen werden?

Weltweit gibt es fünf offiziell anerkannte Atomwaffenstaaten. Dazu gehören Frankreich, China, Großbritannien, die USA und Russland. Über die alleinige Tatsache hinaus, dass diese Länder in Besitz von Atomwaffen sind, haben sie auch auf UN-Ebene noch deutlich mehr Macht und Einfluss. So sind genau diese Staaten die ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und besitzen zudem bei der Verabschiedung von Resolutionen ein erweitertes Vetorecht und werden deswegen auch als Vetomächte bezeichnet. Ohne die Zustimmung von allen jenen Mitgliedern kann keine Resolution im Sicherheitsrat verabschiedet werden und somit beispielsweise auch keine Einsätze von Blauhelmtruppen genehmigt werden.

Wie aus aktuellen UN-Sicherheitsratsitzungen hervorgeht, blockiert die Vetomacht Russland alle Resolutionen, die sich auf den Angriffskrieg auf die Ukraine beziehen. Der UN-Sicherheitsrat ist in diesem Themenfeld also tatsächlich nicht beschlussfähig. Der UN-Sicherheitsrat ist in der UN auch das einzige Gremium, welches beispielsweise über Friedenssicherungseinsätze entscheiden könnte, welche das Entsenden von Friedenstruppen der Vereinten Nationen beinhalten. Die Frage die sich die Staatengemeinschaft nun stellen muss: Sollte in Folge des russischen Angriffskrieges und einem möglicherweise drohenden Konflikt zwischen China, welches ebenso ein ständiges Mitglied im Sicherheitsrat ist, und Taiwan eine Reform in Bezug der Aufstellung des UN-Sicherheitsrates angestoßen werden? Ist es sinnvoll, dass gerade die Atommächte auf der Welt einen noch größeren Einfluss bekommen und damit für die Nicht-Atommächte eine noch größere Gefahr darstellen?

Die damit verbundene Frage ist ebenso, welche Schritte seitens der UN in die Wege geleitet werden müssen, falls sich ein Staat von seinem Nachbarstaat bedroht fühlt. Die UN hat das Ziel einer weltweiten Abrüstung im Blick. Doch was tun, wenn ein Staat aus Angst vor einem anderen Staat sich immer weiter hochrüstet? Dieses bereits bekannte Phänomen drückt sich unweigerlich in einem weltweiten Wettrüsten aus, in dem alle Staaten versuchen, militärisch auf ein besseres Niveau zu gelangen, als ihre Nachbarn, um ein Machtgleichgewicht zu erreichen (Balance of Power). Beide Seiten trauen sich in diesem Fall nicht mehr über den Weg, rüsten auf und sind jederzeit bereit auf den Schritt des anderen, der das Eskalationsfass zum Überlaufen bringt und eine militärische Auseinandersetzung provoziert. Die Aufgabe der UN sollte es in diesem Fall sein zu vermitteln und genau diese drohende Eskalation zu verhindern. Doch wie kann das erreicht werden? Wie kann die UN als ein weltweit anerkanntes aktives Vermittlungsorgan fungieren?

Zu guter Letzt stellt sich noch eine Frage: Wie kann in Zukunft mit der Bedrohung der Nutzung von taktischen und strategischen Nuklearwaffen umgegangen werden? Zunächst ist zwischen diesen beiden Waffentypen zu unterscheiden. Hierfür ein Beispiel: Strategische Atomwaffen waren jene, mit denen sich die USA und die Sowjetunion gegenseitig und direkt mit großer Sprengkraft beschießen konnten. Taktische Waffen waren dagegen jene, die auf Kriegsschauplätzen wie Europa oder Korea mit kleiner, mittlerer oder größerer Sprengkraft zum Einsatz kommen sollten und nicht zwangsläufig einen globalen atomaren Schlagabtausch einschließlich der USA oder der Sowjetunion zur Folge gehabt hätten.

Klar ist, beide dieser Waffen können ein ungeheures Leid verursachen, tausende wenn nicht sogar Millionen von Menschenleben vernichten und ganze Landstriche dem Erdboden gleichmachen. Dennoch ist aber zu berücksichtigen, dass allein die Anwesenheiten von strategischen Atomwaffen auf dieser Welt ein weltweites Klima der Angst hervorruft, da diese theoretisch alle Ziele auf der Welt in wenigen Minuten erreichen könnten. Auch wenn taktische Atomwaffen ein genauso großes Leid hervorrufen können, sind sie dennoch aufgrund ihrer begrenzten Reichweite ein kleineres weltweites Sicherheitsrisiko.

Müsste also in diesem Fall die UN den Versuch einer internationalen Vereinbarung in die Wege leiten, mit der Forderung eines weltweiten Verbots von strategischen Nuklearwaffen? Müssten dazu auch von internationalen Beobachtern regelmäßig durchgeführte Kontrollen gehören, die dieses Verbot durchsetzen sollen? Dieser Schritt, sofern er denn von den entscheidenden Staaten unterzeichnet und tatsächlich umgesetzt wird, würde zu einer weltweiten Entspannung und Abrüstung beitragen.

7. Hinweise zur Recherche

Hinweis: Es ist wichtig zu beachten, dass die Situation in der Ukraine ein sehr vielschichtiges Thema ist und ebenso ein Ereignis, welches sich täglich, ja stündlich, fortentwickelt. Bei der Vorbereitung sollten Sie sich auf die Fragen im Kapitel „Punkte zur Diskussion” konzentrieren.

Zunächst sollten Sie sich ein Bild verschaffen, welche Position das Land einnimmt, welches Sie vertreten werden. Dafür ist es sinnvoll, zu beachten, wie sich das eigene Land bei den bisherigen Resolutionen in der UN-Generalversammlung verhalten hat. Schlägt es sich eher auf die Seite pro-Russland oder pro-Ukraine? Ebenso wäre es eine gute Möglichkeit in Erfahrung zu bringen, wie denn das bisherige Verhältnis zwischen Russland bzw. der Ukraine mit Ihrem Land zu beschreiben ist. Dies kann darüber Aufschluss geben, wie das eigene Land nun zum russischen Angriffskrieg steht.

Fragen, die man sich beim Recherchieren stellen kann, können auch sein: Besteht eine wirtschaftliche oder politische Abhängigkeit zu Russland, besteht eine historisch begründete Freundschaft zu Russland oder ist das Land Teil des Nordatlantikvertrags oder steht in einer besonderen Abhängigkeit zu den USA?

Auch sind die von der UN verabschiedeten Resolutionen zum Ukraine Krieg ein wichtiger Teil der Recherche (die Resolutionen ES-11/1 bis ES-11/5, sind unter “Quellenangaben und weiterführenden Links” zu finden).

Um herauszufinden, welche Möglichkeiten die UN überhaupt hat, um auf den Krieg Einfluss zu nehmen, lohnt sich ein Blick auf die Website der „Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen” (ebenso unter „Quellenangaben und weiterführenden Links” zu finden.)

Bitte beachten Sie den Hinweis oben und verlieren Sie sich nicht in den Details. Dieser Krieg ist ein so komplexes Thema und niemand erwartet von Ihnen, dass Sie alle Positionen herausarbeiten. Konzentrieren Sie sich auf Ihr Land, welches Sie vertreten werden und informieren Sie sich regelmäßig durch die Nachrichten und bleiben Sie so auf dem neuesten Stand.

Ganz essentiell ist es, auf dem neuesten Stand zu bleiben: Wie entwickelt sich der aktuelle Kriegsverlauf? Wie stehen beide Seiten aktuell da? Wie reagiert die Welt auf die Angriffe? Die ZDF veröffentlicht einen Liveticker, der ebenfalls unter „weiterführenden Links” zu finden ist.

 

Lexikon

Ambivalent: gemischte oder widersprüchliche Meinungen und Haltungen

Annexion: Akt, bei dem ein Staat das Gebiet eines anderen Staates offiziell und oft zwangsweise übernimmt und es in sein eigenes Staatsgebiet einfügt

Assoziierungsabkommen: Abkommen, das darauf abzielt die Beziehungen zwischen den Parteien in verschiedenen Bereichen zu regeln, einschließlich wirtschaftlicher Zusammenarbeit und politischer Koordination

Autonomie: Autonome Gebiete sind Territorien innerhalb eines Staates, die sich nach innen selbst verwalten. Sie haben eigene Gesetzgebungsorgane und politische Strukturen, unterliegen aber auch der Gesetzgebung des übergeordneten Staates und werden außen- und sicherheitspolitisch von diesem vertreten.

Balance of Power: Bezeichnung für den Zustand gleichverteilter militärischer Stärke zwischen zwei oder mehreren Staaten mit dem Ziel, die Hegemonialstellung eines Staates zu verhindern

Blauhelmtruppen: Friedenstruppen der Vereinten Nationen, die von den UN bereitgestellt werden und unter dem Kommando der UN stehen

EU: Die Europäische Union (EU) ist eine politische und wirtschaftliche Union, die aus 27 europäischen Mitgliedsstaaten besteht, die sich auf dem europäischen Kontinent befinden. Die EU ist eine einzigartige zwischenstaatliche Organisation, die darauf abzielt, die Zusammenarbeit und Integration ihrer Mitgliedsstaaten in verschiedenen Bereichen zu fördern.

Friedensinitiativen: Bemühungen, die von Regierungen, Organisationen oder Einzelpersonen unternommen werden, um Konflikte zu lösen oder den Frieden zwischen verschiedenen Gruppen oder Nationen wiederherzustellen

Genozid: gezielte Auslöschung einer ethnischen Gruppe, bei der oft viele Menschen systematisch ermordet werden, um sie als Ganzes zu zerstören

Humanitäre Hilfe: Unterstützung, die Menschen in Not in schwierigen Situationen, wie Kriegen, bereitgestellt wird

Territoriale Integrität: bezieht sich auf die Unversehrtheit des Hoheitsgebiets einer Nation, ohne dass andere Länder Teile davon beanspruchen oder gewaltsam einnehmen dürfen

Kalter Krieg: Der Kalte Krieg war eine lange Zeit der Spannung und des Wettbewerbs zwischen den USA und der Sowjetunion, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Er wurde als "kalt" bezeichnet, weil es keinen heißen Krieg mit direkten Kämpfen zwischen den beiden Seiten gab, aber es war dennoch eine Zeit großer politischer und militärischer Rivalität, die die Welt beeinflusste.

Konventionelle Kriegsführung: meint den Einsatz von Waffen, die mit klassischen Sprengstoffen bestückt sind, z.B. Kampfpanzer oder Maschinengewehre. Auf künstlich hergestellte atomare, biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen wird verzichtet.

NATO: steht für "Nordatlantikpakt-Organisation" (englisch: North Atlantic Treaty Organization). Sie ist ein zwischenstaatliches Militärbündnis, das im Jahr 1949 gegründet wurde. Die NATO hat den Zweck, die Sicherheit und Verteidigung ihrer Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

Oligarch: eine Person, die eine erhebliche politische und wirtschaftliche Macht in einem Land besitzt, oft aufgrund von großem Reichtum und Einfluss.

Referendum: eine Volksbefragung, bei der die Bürger eines Landes über eine spezifische politische Frage, Gesetzgebung oder politische Maßnahme abstimmen.

Scheinreferendum: eine Abstimmung, die den Anschein einer demokratischen Entscheidung erweckt, tatsächlich jedoch nicht den Grundsätzen eines fairen, freien und demokratischen Verfahrens entspricht

Schwarzmeerflotte: Die Russische Schwarzmeerflotte ist eine der Flotten (Gesamtheit der Kriegsschiffe) der Russischen Föderation und operiert im Schwarzen Meer. Sie ist eine wichtige Komponente der russischen Marine und hat strategische Bedeutung in der Region.

Separatisten: Separatisten sind Gruppen oder Individuen, die sich von einer bestehenden politischen Einheit oder Nation abspalten und eine unabhängige Region oder Nation bilden möchten.

Sowjetunion: Die Sowjetunion war ein sozialistischer Staat, der von 1922 bis 1991 auf dem Gebiet des heutigen Russland sowie in Teilen Osteuropas und Zentralasiens existierte. Sie war der größte „kommunistische” Staat der Welt und bestand aus mehreren Teilrepubliken.

Uniting for Peace: Die Resolution 377 der Generalversammlung der Vereinten Nationen ("Uniting for Peace") besagt, dass in allen Fällen, in denen der Sicherheitsrat wegen fehlender Einstimmigkeit unter seinen fünf ständigen Mitgliedern nicht wie erforderlich handelt, um die internationale Sicherheit und den Frieden zu wahren, die Generalversammlung die Angelegenheit unverzüglich prüft. Sie kann den Mitgliedern der Vereinten Nationen geeignete Empfehlungen für kollektive Maßnahmen geben - einschließlich des Einsatzes von Waffengewalt - um die internationale Sicherheit und den Frieden zu wahren oder wiederherzustellen.

UN-Charta: Die UN-Charta ist das Gründungsdokument der Vereinten Nationen (UN). Die Charta legt die Ziele, Prinzipien und Strukturen der UN fest und dient als rechtliche Grundlage für die Organisation. Sie enthält auch die Grundsätze des Völkerrechts und die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten.

Völkerrechtswidrig: Etwas, das "völkerrechtswidrig" ist, verstößt gegen die Grundsätze und Normen des Völkerrechts, das die Beziehungen zwischen souveränen Staaten regelt.

Quellenangaben und weiterführende Links

Zeit Online, „Guterres: Nuklearer Konflikt "im Bereich des Möglichen"”, 14. März 2022, https://www.zeit.de/news/2022-03/14/guterres-nuklearer-konflikt-im-bereich-des-moeglichen, Einschätzung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Guterres über die Gefahr eines nuklearen Krieges, aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine (Deutsch)

Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, „Die Möglichkeiten der UN im Ukraine-Krieg”, 31.März 2022, https://dgvn.de/meldung/die-moeglichkeiten-der-un-im-ukraine-krieg, Welchen Handlungsspielraum haben die Vereinten Nationen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine? (Deutsch)

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, „Geschichte der Ukraine”, https://www.lpb-bw.de/ukraine-geschichte#c82506, Detaillierte Geschichte der Ukraine seit dem Mittelalter bis zum Konflikt zwischen Russland und Ukraine; auch Kurzzusammenfassung der Geschichte (Deutsch)

Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, „Der Konflikt in der Ukraine und die UN”, https://frieden-sichern.dgvn.de/startseite/konflikte-brennpunkte/ukraine, Was sind die Ursachen des Konflikts? Welche Motive treiben die beteiligten Akteure an und wie reagiert die internationale Gemeinschaft, allen voran die Vereinten Nationen auf den Krieg? (Deutsch)

Bundeszentrale für politische Bildung, „18. März 2014: Russlands Annexion der Krim”,18. März 2019, https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/287565/18-maerz-2014-russlands-annexion-der-krim/, Wie kam es zur Annexion der Krim? Erklärung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine; Internationale Reaktionen auf Annexion der Krim (Deutsch)

Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, „Keineswegs UNtätig! Die Vereinten Nationen und der Ukraine-Krieg”, 27. Februar 2023, https://dgvn.de/meldung/keineswegs-untaetig-die-vereinten-nationen-und-der-ukraine-krieg, Was sind konkrete Maßnahmen, die die UN in Fokge des Ukraine-Krieges ergriffen hat? (Deutsch)

United Nations, „Risk of Nuclear Weapons Use Higher Than at Any Time Since Cold War, Disarmament Affairs Chief Warns Security Council”, 31. März 2023, https://press.un.org/en/2023/sc15250.doc.htm, Gefahr eines nuklearen Krieges (Englisch)

Tagesschau, „Worum es im "New START"-Vertrag geht”, 21. Februar 2023, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/new-start-vertrag-101.html, Was regelt der "New START"-Vertrag? Hatte sich die Aussetzung angedeutet? Wie wurde die Einhaltung kontrolliert? Was bedeutet die Aussetzung? (Deutsch)

Tagesschau, Putin setzt Beteiligung an "New START"-Vertrag aus, 21. Februar 2023, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/russland-putin-new-start-vertrag-101.html

Zeit Online, „Wer atomar besonders stark aufrüstet – und was Experten Sorge macht”,13. Juni 2023, https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-06/atomwaffen-aufruestung-atomkrieg-sipri-faq#:~:text=die%20R%C3%BCstungskontrolle%20noch%3F-,Wer%20sind%20die%20Atomwaffenstaaten%3F,vor%20dem%20Jahr%201967%20Atomwaffen, Wer sind die Atomwaffenstaaten? Wie lautet die Nuklearstrategie der USA? Hat sich die russische Nuklearstrategie durch den Ukraine-Krieg verändert? Was ist der Unterschied zwischen strategischen und taktischen Atomwaffen? Funktioniert die Rüstungskontrolle noch?

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