forum Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte entlang globaler Lieferketten

Einführung in das Thema

Kursiv geschriebene Wörter werden am Ende des Textes im Lexikon erklärt.

Warnung: Der Text enthält nicht-graphische Darstellungen von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Bitte sei vorsichtig, wenn du sensibel auf diese Themen reagierst, und lies den Text nur, wenn du dich dazu in der Lage fühlst. Such dir Unterstützung, wenn du sie brauchst.

1. Kurzzusammenfassung

In einer immer vernetzteren Welt setzen international tätige Unternehmen häufig auf globale Lieferketten, um günstige Produktionsbedingungen in unterschiedlichen Ländern auszunutzen und Kosten zu reduzieren. Diese Entwicklung hat jedoch Schattenseiten. Seit vielen Jahren gibt es bereits Meldungen über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und Zwangsarbeit. Dadurch ist die menschenrechtliche Situation entlang globaler Lieferketten in den Fokus gerückt. Im Umgang mit den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen stößt die Staatengemeinschaft immer wieder auf grundlegende Probleme. Zuvorderst ist es aktuell beinahe unmöglich, eine völkerrechtliche Verantwortung für internationale Unternehmen zu begründen, da diese nicht von den bisherigen Abkommen der Vereinten Nationen zum Thema erfasst sind. Ein wichtiger Kompromiss ist der Staatengemeinschaft mit den UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten (UNGP) zwar gelungen, deren Umsetzung jedoch stockt. Ein weiterer Lichtblick sind Gesetzesvorhaben auf nationaler und internationaler Ebene, die Unternehmen zur strengeren Selbstkontrolle zwingen.

Das Ziel aus Sicht der Vereinten Nationen sollte allerdings sein, eine echte völkerrechtliche Handhabe für internationale Unternehmen zu finden. Während das Völkerstrafrecht keine wirkliche Handhabe bietet, ist bereits seit längerem ein umfassendes Abkommen in Planung, das diese Lücke füllen soll.

Entscheidend ist außerdem zum einen, dass die Betroffenen ihre Menschenrechtsverletzungen auch gegenüber den Verantwortlichen geltend machen können, was bei langen globalen Lieferketten oft bewusst erschwert wird, so dass Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen oft kein effektiver Rechtsweg offensteht. Zum anderen müssen sich die Vereinten Nationen noch einmal intensiv mit zunehmenden Formen moderner Sklaverei befassen, die auch entlang globaler Lieferketten für eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. Außerdem ist zu überlegen, welche Rolle die Welthandelsorganisation beim Etablieren allgemeiner menschenrechtlicher Standards in der globalisierten Wirtschaft spielen kann.

Dem Menschenrechtsrat bei MUN-SH 2024 kommt bei der Lösungsfindung zentrale Bedeutung zu.

2. Punkte zur Diskussion

  • Wie können internationale Unternehmen bei Verstößen gegen die Menschenrechte zur Verantwortung gezogen werden? Welche Rolle spielen nationale und internationale Gesetze bspw. auch zu Sorgfalts- und Haftungspflichten dabei?
  • Brauchen die UNGP und/oder der Global Compact eine Überarbeitung, um besser umgesetzt werden zu können?
  • Kann ein völkerrechtliches Abkommen die Lösung für verbindliche menschenrechtliche Mindeststandards in globalen Lieferketten sein? Wenn ja, welche Punkte sollten darin enthalten sein?
  • Wie können effektivere Möglichkeiten zum Rechtsschutz für Betroffene gefunden werden? Welche internationalen Vereinbarungen braucht dafür?
  • Wie kann national und international gegen Zwangsarbeit und moderen Sklaverei vorgegangen werden?
  • Welche Bevölkerungsgruppen müssen besonders vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen entlang von Lieferketten geschützt werden? Wie kann dieser besondere Schutz sichergestellt werden?
  • Welche Rolle kann die Welthandelsorganisation bei menschenrechtlichen Standards spielen?

3. Einleitung

In der modernen, vernetzten Welt hat die globale Arbeitsteilung in den vergangenen Jahren stark zugenommen – von Lebensmitteln über Kleidung und Elektronik bis hin zu Autos. Rohstoffe und Produktbestandteile umrunden in ihrem Herstellungsprozess nicht selten den gesamten Globus. Zunehmend treten jedoch auch die Schattenseiten dieser Entwicklung zutage. Immer wieder werden Berichte über Zwangsarbeit und moderne Sklaverei, schlechte Entlohnung und menschenunwürdige oder sogar lebensgefährliche Arbeitsbedingungen laut. Spätestens seit Beginn der 2010er Jahre kennt die Welt die fatalen Konsequenzen fehlender Menschenrechtsstandards, als kurz hintereinander bei einem Brand in einer Näherei in Pakistan 2012 und bei dem Zusammensturz einer Textilfabrik in Bangladesch 2013 insgesamt über 1.350 Menschen starben. Die Verantwortung für solche Unglücke und die allgemeinen Missstände weisen globale Unternehmen gerne von sich. Das steht im Widerspruch dazu, dass sie diejenigen sind, die die Gewinne dieser Ausbeutung einstreichen.

4. Hintergrund und Grundsätzliches

Der Schutz der Menschenrechte ist eine der Hauptaufgaben der Vereinten Nationen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1945 verpflichtet alle Staaten unter anderem dazu, die Rechte auf Arbeit, auf gleichen Lohn und auf Gründung einer Gewerkschaft (Art. 23) auf angemessene Erholungspausen (Art. 24) und auf Freiheit von allen Formen der Sklaverei (Art. 4) zu gewährleisten und zu schützen. Diese Rechte wurden mit dem UN-Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (WSK-Pakt) von 1966 noch weiter konkretisiert. Problematisch war dabei schon von Anfang an, dass privatwirtschaftliche Akteure bei Verpflichtungen aus solchen völkerrechtlichen Abkommen außen vor sind. Deshalb haben sich die Vereinten Nationen schon zu verschiedenen Zeitpunkten mit der Frage befasst, wie dieses Ungleichgewicht in der Verantwortung zu beheben sei. So wurde bereits in den 1970er Jahren versucht, ein Abkommen über menschenrechtliche Verpflichtungen transnationaler Unternehmen zu schließen. Dieses Vorhaben wurde jedoch 1994 endgültig aufgegeben, da sich die Industrienationen letztlich schützend vor ihre Wirtschaft und damit ihre Unternehmen stellten, um das Wachstum nicht zu gefährden.

Im Zuge der Globalisierung erschlossen sich seit den 1990er Jahren neue Märkte, Produktionsmöglichkeiten und Arbeitskräfte. Hinzu kamen das Internet und die generelle Liberalisierung des Welthandels mit Gründung der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) im Jahr 1995. In der Folge ließ sich die massenhafte Auslagerung von Produktion und Zulieferung in Länder des globalen Südens beobachten. Hier spielten vor allem Lohnkosten eine Rolle, die nur einen Bruchteil der Gehälter im globalen Norden ausmachten. Außerdem versuchten Länder durch niedrige Arbeitsschutzstandards und Arbeitnehmerrechte möglichst attraktive Bedingungen für ausländische Unternehmen zu schaffen. In dieser Zeit prägte sich z.B. auch der Begriff „sweatshop“ als abwertende Bezeichnung für Betriebe in einem Land des globalen Südens, in denen große Unternehmen unter sehr schlechten Bedingungen produzieren lassen. Zudem spricht man seitdem von einem „race to the bottom“, also einem Wettlauf um den niedrigsten Preis, was sich negativ auf Umwelt und Menschenrechte vor Ort auswirkt.

Eine neue Dimension hat die Thematik im Zusammenhang mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) bekommen. Seit 2015 bestimmen diese 17 Entwicklungsziele das Handeln der Vereinten Nationen und sollen bis 2030 die Weltgemeinschaft einen großen Schritt nach vorne bringen. Über 90% der 169 Unterziele haben einen Bezug zu Menschenrechten. Besonders deutlich wird diese Überschneidung bei Ziel 8 für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und menschenwürdige Arbeit für alle. In den Unterzielen geht es um gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne und die Abschaffung moderner Sklaverei in Form von Zwangsarbeit. Es ist also eindeutig, dass die Erreichung der SDGs nicht unerheblich von der vollständigen Verwirklichung der Menschenrechte entlang globaler Lieferketten abhängt.

5. Aktuelles

Die jüngere Vergangenheit zeigt, dass die Weltgemeinschaft noch weit von diesen Zielen entfernt ist. In den Fokus gerückt sind die nach wie vor verbreiteten Formen moderner Sklaverei. Während 2016 noch etwa 40 Mio. Menschen davon betroffen waren, ist die Zahl der Betroffenen zuletzt auf etwa 50 Mio. Menschen angestiegen.

Die Corona-Pandemie hat zudem einmal mehr das Machtgefälle entlang globaler Lieferketten sehr eindrücklich demonstriert, besonders in der notorisch von schlechten Arbeitsbedingungen geprägten Textilindustrie. Während die Konzerne am oberen Ende der Lieferkette Aufträge ohne Entschädigung gekündigt haben, sich dabei aber auf die wirtschaftliche und soziale Absicherung in ihren Ländern verlassen konnten, traf es die Menschen am unteren Ende in wirtschaftlich schwächeren Ländern besonders hart.

Die Staatengemeinschaft versucht unterdessen unermüdlich, die Problematik entlang globaler Lieferketten zu lösen. Der 1999 vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan angeregte und 2000 unterzeichnete Global Compact, der eine freiwillige Partnerschaft zwischen den Vereinten Nationen und der Privatwirtschaft darstellt, gehört zu den größten Initiativen in diesem Bereich, die je unternommen wurden. Der Global Compact ist ein Projekt, das ein nachhaltiges Wachstum im Kontext der Globalisierung gewährleisten soll, indem es einen Katalog allgemein gültiger Werte fördert, die für die Befriedigung der sozioökonomischen Bedürfnisse aller Menschen jetzt und in Zukunft von wesentlicher Bedeutung sind.

Inhalt des Globalen Paktes mit der Wirtschaft sind zehn menschenrechtliche, soziale und ökologische Leitsätze. Die Unternehmen müssen sich allerdings lediglich bereit erklären, die Grundsätze des Globalen Pakts zu beachten; verbindliche Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen sind nicht vorgesehen.

Seit 2011 gibt es die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte des Menschenrechtsrats (UN Guiding Principles, UNGP), eine weitere wichtige Errungenschaft im Umgang mit Unternehmen und Menschenrechten. Ihre drei Säulen geben vor, dass Staaten erstens für politische und rechtliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und Investitionen sorgen sollten, um den Schutz der Menschenrechte und Arbeitsnormen zu gewährleisten. Unternehmen sollen zweitens Verfahren zur Gewährleistung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht einrichten. Drittens sollen alle Menschen, die von einem Unternehmen in ihren Rechten verletzt wurden, Zugang zu rechtlichen Gegenmaßnahmen erhalten. Die Umsetzung dieser Leitprinzipien erfolgt jedoch schleppend. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Program, UNDP) kommt am Beispiel von Europa und Zentralasien zu dem Schluss, dass es oft am politischen Willen fehlt, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen und das gleichzeitig immer neue Krisen den Fortschritt hemmen. Der Hochkommissar für Menschenrechte sieht ebenfalls großen Handlungsbedarf und spricht sich für eine Vorbildrolle der G7 und anderer Industrienationen aus.

Einzelne Fortschritte können dennoch verzeichnet werden. So hat Deutschland zum 01.01.2023 ein Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Unternehmen müssen seitdem Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße selber ermitteln und gegenüber einer zuständigen Behörde anzeigen. Das Gesetz wird als wichtiger Schritt nach vorne betrachtet, insbesondere, da sich die Europäische Union auch mit dem Thema befasst und so einen einheitlichen Standard für 27 Staaten schaffen könnte.

6. Probleme & Lösungsansätze

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass es trotz einzelner Fortschritte noch großen Handlungsbedarf gibt.

Ein zentrales Problem bleibt, dass internationale Vereinbarungen in der bisherigen völkerrechtlichen Ordnung nicht unmittelbar für Unternehmen gelten. Zuletzt wurde 2004 der Vorschlag, Unternehmen als Völkerrechtssubjekte anzuerkennen, abgelehnt. Vereinzelt konnten Erfolge erzielt werden, indem man das Völkerstrafrecht bemühte. Hier ist es möglich und sogar vorgesehen, einzelne Personen zu belangen. Dafür braucht es allerdings ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, was im Kontext der Lieferkette allerhöchstens die Zwangsarbeit erfüllen könnte, und auch nur, wenn sie als Angriff auf die Zivilbevölkerung gesehen werden kann. Niedrige Löhne oder schlechte Arbeitsbedingungen fallen aber nicht unter das Völkerstrafrecht, hierfür bräuchte es eigene Regelungen, die von Staaten erlassen werden müssen.

Besonders zentral sind sogenannte Sorgfaltspflichten (Englisch: due diligence), die Staaten für Unternehmen hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte erlassen sollen. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen im Vorfeld darauf achten müssen, dass keine Menschenrechtsverletzungen innerhalb ihrer Geschäftsaktivitäten stattfinden. Dies könnte unter anderem in Form von Risikoanalysen durch Unternehmen von Menschenrechte gefährdenden Geschäftsbereichen und Feststellungsverfahren für tatsächlich auftretende Menschenrechtsverletzungen passieren. Zur Sorgfaltspflicht tritt die Haftungspflicht (Englisch: legal liability) hinzu. Im Falle einer aufgetretenen Menschenrechtsverletzung wird gefordert, dass Unternehmen hierfür haften sollen. Es gilt zu klären, für welche Aktivitäten Unternehmen haftbar gemacht werden können. Es sollte verhindert werden, dass multinationale Unternehmen Menschenrechtsverletzungen schlicht innerhalb ihrer Lieferketten an andere (oft nationale) Unternehmen auslagern. Unternehmen könnten verpflichtet werden, auch für Menschenrechtsverletzungen verantwortbar gemacht zu werden, mit denen sie vielleicht nicht unmittelbar verbunden sind, aber Teile ihrer Produktion, Dienstleistungen oder sonstigen Geschäftsaktivitäten. So könnte ein Bekleidungsunternehmen dazu verpflichtet werden, auch darauf zu achten, dass bei der Herstellung, die von einer anderen Firma unternommen wird, keine Menschenrechtsverletzungen auftreten. Einen Vorstoß zur Verbesserung des Rechtsschutzes betroffener gibt es nun von Ecuador und Südafrika. Die beiden Länder haben gemeinsam mit 92 Staaten einen Entwurf vorgelegt, in dem die Verantwortlichkeit für alle Menschenrechtsverletzungen, Umweltschäden und der Zugang zu rechtlichem Schutz geregelt werden sollen. Das könnte den Weg zu klaren Strafmechanismen für internationale Unternehmen und besseren Rechtsschutz für die Opfer ebnen. Doch hiergegen regt sich zum Teil heftiger Widerstand aus den Ländern des globalen Nordens, die um ihre großen Unternehmen und wirtschaftliche Bedeutung fürchten.

Bis zu einem solchen Abkommen bauen Lösungsansätze zum Thema oftmals auf die freiwillige Mithilfe der Staaten und Unternehmen und die Grundsätze des UNGP, deren Umsetzung weltweit stockt. Insbesondere die dritte Säule, die den Zugang zu effektivem Rechtsschutz gegen oder infolge von Menschenrechtsverletzungen regeln soll, wird zu oft vernachlässigt.

Dabei handelt es sich um einen der wichtigsten Problempunkte. Bisher ist die Einzelperson, die durch ein internationales, oft von einem anderen Kontinent aus agierendes Unternehmen in ihren Rechten verletzt wird, juristisch fast machtlos. Das hat mit den unterschiedlich stark ausgeprägten Arbeitsrechten in den einzelnen Ländern, aber auch mit einem Machtungleichgewicht zwischen Individuum und Unternehmen zu tun. Zum Problemkreis der rechtlichen Handhabe des Problems gehört auch die WTO. Bei ihrer Gründung 1995 gab es den Vorschlag, bessere Sozialstandards im internationalen Handel festzulegen. Dagegen wehrten sich jedoch die Staaten des globalen Südens. Ihre Sorge war, dass sie, wenn sie diese Standards nicht erfüllen können, vom Welthandel ausgeschlossen werden. Es wäre also auch denkbar, einen einheitlichen Sozialstandard festzulegen und dann zu überlegen, wie alle Akteure auf dem internationalen Markt diesen erfüllen können, ohne benachteiligt zu werden. Insbesondere brauchen dann solche Länder mehr Unterstützung, die schon jetzt kein funktionierendes Sozialsystem stemmen können.

Besorgniserregend ist außerdem der weltweite Anstieg von Sklaverei in Form von Zwangsarbeit. Das Thema der globalen Lieferketten bietet eine ideale Gelegenheit für den Menschenrechtsrat, die bisherige Arbeit zu intensivieren. Möglicherweise könnte man einen gesonderten Prüfmechanismus für Zwangsarbeit in Unternehmen verlangen. Denkbar wäre auch ein Prüfsiegel, das Produkte ohne Zwangsarbeit ausweist.

Was die Unternehmen selbst angeht, so verweisen diese gerne auf die Schwierigkeit einer Überprüfung der menschenrechtlichen Situation vor Ort. Zwar kann jedes Unternehmen eigene Prüfungen vornehmen, die daraus entstehenden Mehrkosten werden jedoch oftmals als Wettbewerbsnachteil wahrgenommen und es besteht die Sorge vor "überhandnehmender Bürokratie". Um Unternehmen bei der Umsetzung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten zu unterstützen, müssen diese für Unternehmen auch praktisch handhabbar gemacht werden. Der Menschenrechtsrat hat daher zur Umsetzung der UNGP auch einen Leitfaden für Unternehmen entwickelt.

Abschließend muss ein spezielles Augenmerk auf außergewöhnliche Situationen und marginalisierte Gruppen gelegt werden. Vor allem Menschen in besonders instabilen Regionen wie in Konfliktzonen oder Staaten mit schwachen Institutionen sind gefährdet, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden. Spezielle Formen der Unterstützung und des Schutzes sollten für diese Gruppen gefunden werden, sodass auch sie hinreichenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen können.

Festzuhalten bleibt abschließend, dass die Vergangenheit gezeigt hat, dass nur ein gemeinschaftliches Vorgehen und eine flächendeckende Lösung echten Fortschritt herbeiführen kann. Solange Schlupflöcher und Ausnahmen bleiben, werden diese zulasten der Menschen in internationalen Lieferketten und ihrer Rechte ausgenutzt. Der Menschenrechtsrat spielt hier eine entscheidende Rolle.

7. Hinweise zur Recherche

Als Delegierte ist es Ihre Aufgabe, schon vor der Konferenz die Position Ihres Landes zu den Themen im Menschenrechtsrat zu präsentieren. Das klingt je nach Fragestellung im ersten Moment manchmal schwierig. Die folgenden Denkanstöße sollen Ihnen dabei helfen. Ein erster Ansatz könnte zum Beispiel sein, sich mit der menschenrechtlichen Situation im vertretenen Land zu befassen. Wie sieht es mit den Rechten von Arbeiter*innen aus? Gibt es bei Bedarf ein funktionierendes Rechtssystem?

Dann gilt es herauszufinden, ob und wie ihr Land in die globalen Lieferketten eingebunden ist. Gibt es viele internationale oder ausländische Unternehmen, die in Ihrem Land tätig sind? An welchem Ende der Lieferkette würde sie ihr Land einsortieren? Ausschlaggebend ist dabei die offizielle Position des Staates (also z.B. nicht die Kritik von Amnesty International an den Arbeitsbedingungen in ihrem Land). Wie hat sich Ihr Land in der Vergangenheit und aktuell zu dem Thema positioniert?

Ein globalisiertes Thema wie internationale Lieferketten betrifft außerdem eine Vielzahl von Akteuren und Plattformen. Ist Ihr Land Mitglied einer internationalen Organisation wie der Afrikanischen Union oder eines Formats wie der G20-Runde? Wie wird das Thema dort betrachtet? Niemand erwartet von Ihnen eine perfekt ausdifferenzierte offizielle Position Ihres Landes. Allerdings gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich eine authentische Stellungnahme zusammen zu basteln. Selbstverständlich steht Ihnen der Vorsitz bei Fragen jederzeit zur Verfügung.

 

Lexikon

Globaler Norden / Globaler Süden: Die Begriffe „Globaler Süden“ und „Globaler Norden“ werden hauptsächlich in der Entwicklungspolitik und in den Sozial- und Geisteswissenschaften benutzt. Die Bezeichnungen sollen die Situation von Ländern in der globalisierten Welt möglichst wert- und hierarchiefrei beschreiben. In diesem Sinne ist ein Land des Globalen Südens ein politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich benachteiligter Staat. Die Länder des Globalen Nordens befinden sich dagegen in einer privilegierten Position, was Wohlstand, politische Freiheit und wirtschaftliche Entwicklung angeht. Damit sollen auch die Ungleichheit und die dadurch bedingten Abhängigkeitsverhältnisse herausgestellt werden. Die Bezeichnungen sollen nicht zur Verallgemeinerung der Verhältnisse in allen entsprechenden Ländern dienen. Sie sind zudem nur bedingt geografisch zu verstehen. So werden Australien und Neuseeland dem Globalen Norden zugeordnet, während Länder wie Afghanistan und die Mongolei zum Globalen Süden gezählt werden.

Liberalisierung des Welthandels: bedeutet die Beseitigung von nationalen Beschränkungen, die einem freien Wirtschaftsverkehr zwischen den Staaten entgegenstehen. Insbesondere geht es um den Abbau von Hemmnissen im Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bestrebungen verstärkt die Liberalisierung des Welthandels durch bi- und multilaterale Abkommen voranzutreiben. Dies beinhaltet den Abbau von Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen, also etwa Rechtsvorschriften, Zulassungsbeschränkungen für Produkte oder Regelungen zum Patentrecht.

Quellen und hilfreiche Links

Amnesty International, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, https://www.amnesty.de/alle-30-artikel-der-allgemeinen-erklaerung-der-menschenrechte, alle Artikel der Menschenrechte (Deutsch)

Auswärtiges Amt, Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, 2014, https://www.auswaertiges-amt.de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipien-de-data.pdf, Übersetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Deutsch)

Caspar Dohmen, Menschenrechte entlang globaler Lieferketten, 2021, https://www.deutschlandfunk.de/internationale-arbeitsbedingungen-menschenrechte-entlang-100.html, Überblick zu allen relevanten Problemen, Deutschlandfunk (Deutsch)

European Center for Constitutional and Human Rights, Ausbeutung und globale Lieferketten, https://www.ecchr.eu/cluster/ausbeutung-globale-lieferketten/, Überblick über verschiedene Meldungen und Berichte zum Thema (Deutsch)

Germanwatch, Globale Lieferketten in der Corona-Krise: Menschenrechte auf dem Abstellgleis?, 2020, https://www.germanwatch.org/sites/default/files/Globale%20Lieferketten%20in%20der%20Corona-Krise%20-%20Menschenrechte%20auf%20dem%20Abstellgleis.pdf, Bericht zur Corona-Pandemie und Lieferketten (Deutsch)

Global Compact, Moderne Sklaverei und Arbeitsausbeutung Herausforderungen und Lösungsansätze für deutsche Unternehmen, 2018, https://www.globalcompact.de/migrated_files/wAssets/docs/Menschenrechte/Studie_DGCN-ERGON_-DINA5-_20181129_WEB.pdf, Bericht zur modernen Sklaverei (Deutsch)

Global Compact Netzwerk Deutschland, United Nations Global Compact, 2023, https://www.globalcompact.de/ueber-uns/united-nations-global-compact, Informationen zum Global Compact inklusive der 10 Prinzipien

Hoher Kommissar für Menschenrechte, Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, 2011, https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/publications/guidingprinciplesbusinesshr_en.pdf, UNHCHR-Publikation zu Wirtschaft und Menschenrechten (Englisch)

Hoher Kommissar für Menschenrechte, Sustainable Global Supply Chains: G7 Leadership on UNGP Implementation, 2022, https://www.ohchr.org/sites/default/files/2022-05/report-sustainable-global-supply-chains-g7.pdf, Bericht des Hohen Kommissars für Menschenrechte an die G7 zu den globalen Lieferketten (Englisch)

Human Rights Watch, Trading Lives for Profit: How the Shipping Industry Circumvents Regulations to Scrap Toxic Ships on Bangladesh’s Beaches, 2023, https://www.hrw.org/report/2023/09/28/trading-lives-profit/how-shipping-industry-circumvents-regulations-scrap-toxic, Schiffsverschrottung in Bangladesch, Human Rights Watch (Englisch)

Tagesschau, UN kritisieren Zwangsarbeit in China, 2022, https://www.tagesschau.de/ausland/asien/zwangsarbeit-uiguren-china-101.html, Meldung zur Situation in Xingjang (Deutsch)

Vereinte Nationen, Countries propose Treaty to end Corporate Impunity, 2019 https://www.un.org/africarenewal/magazine/april-2019-july-2019/countries-propose-treaty-end-corporate-impunity, Meldung über die Pläne für ein internationales Abkommen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen (Englisch)

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